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Abfindung: Ruhen des Arbeitslosengelds?

Hat eine Arbeitslose oder ein Arbeitsloser wegen der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses sogenannte Entlassungsentschädigungen wie eine Abfindung, eine Entschädigung oder eine ähnliche Leistung erhalten, prüft die Arbeitsagentur, ob die für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Kündigungsfristen eingehalten worden sind. Ist das nicht der Fall, kann der Anspruch auf Arbeitslosengeld für einen bestimmten Zeitraum ruhen (§ 158 SGB III).

Solange der Anspruch ruht, zahlt die Arbeitsagentur kein Arbeitslosengeld. Das bedeutet nicht, dass der Anspruch verloren geht. Vielmehr ist nur der Beginn der Zahlung zeitlich nach hinten verschoben. Die Dauer des Anspruchs verkürzt sich im Gegensatz zum Ruhen des Anspruchs bei einer Sperrzeit nicht (§ 159 SGB III, siehe hierzu den Praxistipp Sperrzeit).

Der Anspruch ruht, wenn das Arbeitsverhältnis wegen Kündigung oder Aufhebungsvertrag vorzeitig beendet wird.

Beispiel: Arbeitnehmer*in (A) und Arbeitgeber*in (B) schließen am 30.04.2019 einen Aufhebungsvertrag zum 31.05.2019, in dem die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 12.000 € brutto (hier: vier Monatsgehälter) geregelt ist. Die arbeitsvertragliche Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Quartalsende. Das Arbeitsverhältnis hätte bei Ausspruch einer Kündigung somit erst zum 30.09.2019 beendet werden können. A ist 41 Jahre alt und war acht Jahre in dem Betrieb beschäftigt. Es liegt in der Person des A ein wichtiger Grund für die Lösung des Arbeitsverhältnisses vor. Eine Sperrzeit tritt nicht ein.

In dem vorgenannten Beispiel ist die vertragliche Kündigungsfrist nicht eingehalten worden, und der Arbeitnehmer hat eine Abfindung erhalten. Damit sind grundsätzlich die Voraussetzungen für ein Ruhen des Anspruchs aus § 158 SGB III gegeben.

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist geendet hätte (§ 158 Abs. 1 S. 1 SGB III). Das gilt jedoch nur, wenn keine der weiteren besonderen Bestimmungen des § 158 SGB greift. Die Dauer des Ruhens ist nämlich auch von der Höhe der Abfindung, dem Lebensalter, dem früheren Gehalt der oder des Arbeitslosen, der Beschäftigungsdauer und der maßgeblichen Kündigungsfrist abhängig.

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht nur so lange, bis die oder der Arbeitslose bei einer Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist 60 Prozent der zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung verdient hätte. Die 60-Prozent-Grenze gilt nur, wenn der oder die Arbeitslose unter 40 Jahre alt und weniger als fünf Jahre in dem Unternehmen beschäftigt war. Je älter er oder sie ist und je länger er oder sie beschäftigt war, umso geringer ist auch der von der Abfindung zu berücksichtigende Anteil. Die Werte lassen sich der folgenden Tabelle entnehmen:

Betriebs-/ Unternehmenszugehörigkeit

Lebensalter bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses; Berücksichtigung in %

 

unter 40

ab 40

ab 45

ab 50

ab 55

ab 60

weniger als 5 Jahre

60 %

55 %

50 %

45 %

40 %

35 %

5 und mehr Jahre

55 %

50 %

45 %

40 %

35 %

30 %

10 und mehr Jahre

50 %

45 %

40 %

35 %

30 %

25 %

15 und mehr Jahre

45 %

40 %

35 %

30 %

25 %

25 %

20 und mehr Jahre

40 %

35 %

30 %

25 %

25 %

25 %

25 und mehr Jahre

35 %

30 %

25 %

25 %

25 %

25 %

30 und mehr Jahre

 

25 %

25 %

25 %

25 %

25 %

35 und mehr Jahre

   

25 %

25 %

25 %

25 %

In dem oben genannten Beispiel sähe die Berechnung wie folgt aus: Da A über 40 Jahre, aber noch keine 45 Jahre alt ist und acht Jahre beschäftigt war, sind von seiner Abfindung nur 50 Prozent (also 6.000,00 €) anzusetzen. Da er monatlich 3.000 € verdient hat, würde der Anspruch auf Arbeitslosengeld nur bis Ende Juli 2018 ruhen. Ab August bekäme er dann volle 12 Monate Arbeitslosengeld, soweit die sonstigen Voraussetzungen hierfür gegeben sind.

In solchen Fällen werden sogenannte fiktive Kündigungsfristen für die Berechnung des Ruhenszeitraums zugrunde gelegt. Ist die Kündigung zeitlich unbegrenzt wegen tariflicher Unkündbarkeit ausgeschlossen, wird für die maßgebliche Kündigungsfrist ein Zeitraum von 18 Monaten angesetzt. Bei zeitlich begrenztem Ausschluss wie Mutterschutz oder Elternzeit ist die Frist relevant, die ohne den Ausschluss der Kündigung gelten würde. Ist eine Kündigung aufgrund einer tariflichen Regelung nur gegen Zahlung einer Entlassungsentschädigung möglich, ist eine Frist von einem Jahr zu berücksichtigen.

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht jedoch unabhängig von den in der Tabelle genannten Werten und diesen fiktiven Kündigungsfristen höchstens für ein Jahr.

Während des Ruhezeitraums besteht keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Dementsprechend werden auch keine Beiträge hierzu bezahlt. Pflichtversicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung sind allerdings im ersten Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den nachwirkenden Versicherungsschutz abgesichert (§ 19 Abs. 2 SGB V). Danach besteht gegebenenfalls die Möglichkeit eines Schutzes über die Familienversicherung. Es sei denn, die Abfindung wird als Einkommen gewertet. Privat und freiwillig Versicherte müssen ihre Beiträge zur Krankenversicherung selbst zahlen.

Ebenso werden keine Beiträge zur Rentenversicherung abgeführt. Ist die oder der Arbeitslose während des Ruhezeitraums arbeitslos gemeldet und steht der Arbeitsagentur für eine Vermittlung zur Verfügung, berücksichtigt der Rentenversicherungsträger die Ruhezeit als beitragsfreie Anrechnungszeit.

In einem solchen Fall ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld zeitgleich auch wegen der Sperrzeit. Allerdings mindert sich hier der Anspruch auf Arbeitslosengeld um die Tage der Sperrzeit, hierzu siehe den Praxistipp Sperrzeit

Steht eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Entlassungsentschädigung an, sollten sich Betroffene im Vorfeld durch ihre Gewerkschaft oder durch die Agentur für Arbeit beraten lassen. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Gefahr einer Sperrzeit.

Zahlreiche Informationen und Beispiele finden sich in dem Merkblatt Nr. 17 der Bundesagentur für Arbeit mit dem Titel: Berücksichtigung von Entlassungsentschädigungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es ist hier abrufbar.

 Redaktioneller Stand: April 2018

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