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Arbeitszeit

Die Frage, wie viele Stunden man pro Werktag maximal arbeiten darf, ist für alle Arbeitnehmer*innen bedeutsam. Zusätzliche Brisanz erhält sie in Krisenzeiten, wenn Arbeitgeber versuchen, ihre Beschäftigten zu extralangen Schichten einzuteilen.

Grundsätzlich ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag und/oder einem Tarifvertrag, wann Beschäftigte zu welchen Zeiten und in welchem Umfang zur Arbeit verpflichtet sind.

Bestimmt der Arbeitsvertrag, andere Vereinbarungen oder der Tarifvertrag insoweit nichts Eindeutiges, spielt eine Vorschrift aus der Gewerbeordnung (GewO) eine wichtige Rolle: Gemäß § 106 GewO kann der Arbeitgeber in diesem Fall Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen. Das ist das sogenannte „Direktionsrecht“ oder „Weisungsrecht“ des Arbeitgebers. „Billig“ ist in diesem Zusammenhang keine Preisangabe. Für Jurist*innen heißt „billiges Ermessen“, dass man nicht zum Nachteil anderer einen eigenen Vorteil suchen darf.

Es gibt aber Gesetze, die hinsichtlich der Arbeitszeit beachtet werden müssen. Am wichtigsten ist das Arbeitszeitgesetz (ArbZG), das eine Höchstgrenze für die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit und eine Mindestgrenze für Pausen festlegt. Ein wichtiges Wort hat auch die Europäische Union bei der Arbeitszeit mitzureden: Das ArbZG musste Deutschland einführen, weil es durch eine Richtlinie der EU verpflichtet war, Mindeststandards für die Gestaltung der Arbeitszeit festzulegen: die sogenannte Arbeitszeitrichtlinie.

Nach § 17 ArbZG überwacht eine Aufsichtsbehörde, ob das Gesetz oder eine aufgrund des Gesetzes erlassene Rechtsverordnung eingehalten wird. Es handelt sich dabei um Behörden, die nach Landesrecht für Arbeitssicherheit zuständig sind. Das sind zumeist die Gewerbeaufsichtsämter oder die Ämter für Arbeitsschutz.

Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer*innen darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn die*der Arbeitnehmer*in

  • innerhalb von sechs Kalendermonaten oder
  • innerhalb von 24 Wochen

im Durchschnitt nicht länger als acht Stunden werktäglich arbeiten muss.

So regelt es § 3 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) bzw. Artikel 6 der Arbeitszeitrichtlinie.

Die Vorschrift begründet ein gesetzliches Beschäftigungsverbot, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in mehreren Entscheidungen betont hat. Sie untersagt dem Arbeitgeber, Arbeitsleistungen in einem höheren Umfang anzuordnen oder entgegenzunehmen. So sollen Arbeitnehmer*innen davor geschützt werden, dass sie durch übermäßige zeitliche Inanspruchnahme überfordert werden.

Arbeitsverträge dürfen nicht zu Lasten der Beschäftigten vom ArbZG abweichen. Der Gesetzgeber hat aber erkannt, dass es Konstellationen gibt, in denen eine starre Höchstgrenze für die Arbeitszeit auch zum Nachteil der Beschäftigten sein kann. Er hat deshalb den Tarifpartnern und insbesondere den Gewerkschaften und den Betriebs- und Personalräten die Möglichkeit eingeräumt, unter engen Voraussetzungen Vereinbarungen zu treffen, die vom ArbZG abzuweichen:

  • In einem Tarifvertrag oder
  • aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung

kann zugelassen werden, die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt.

Auch kann ein anderer Ausgleichszeitraum festgelegt werden als der in § 3 ArbZG vorgesehene (sechs Monate bzw. 24 Wochen).

Bei vorübergehenden Arbeiten in Notfällen und in außergewöhnlichen Fällen kann unter folgenden Voraussetzungen von der Regelarbeitszeit abgewichen werden:

  • Die Notfälle oder außergewöhnlichen Fälle müssen unabhängig vom Willen der Betroffenen eintreten und
  • ihre Folgen sind nicht auf andere Weise zu beseitigen, besonders wenn Rohstoffe oder Lebensmittel zu verderben oder Arbeitsergebnisse zu misslingen drohen.

Das ist in § 14 Abs. 1 ArbZG geregelt.

Ausnahmen bestehen zudem,

  • wenn eine verhältnismäßig geringe Zahl von Arbeitnehmer*innen vorübergehend mit Arbeiten beschäftigt wird, deren Nichterledigung das Ergebnis der Arbeiten gefährden oder einen unverhältnismäßigen Schaden zur Folge haben würde
  • bei Forschung und Lehre
  • bei unaufschiebbaren Vor- und Abschlussarbeiten sowie
  • bei unaufschiebbaren Arbeiten zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen oder zur Behandlung und Pflege von Tieren an einzelnen Tagen,

wenn dem Arbeitgeber andere Vorkehrungen nicht zugemutet werden können. Das regelt § 14 Abs. 2 ArbZG.

Das Gesetz bestimmt noch weitere Ausnahmen. § 15 Abs. 1 ArbZG ermächtigt die Aufsichtsbehörde (s.o.: Wo werden Arbeitszeiten grundsätzlich geregelt?, letzter Absatz), in besonderen Fällen längere tägliche Arbeitszeiten zu bewilligen. Das betrifft zum Beispiel

  • kontinuierliche Schichtbetriebe zur Erreichung zusätzlicher Freischichten
  • Bau- und Montagestellen
  • Saison- und Kampagnebetriebe für die Zeit der Saison oder Kampagne, wenn die Verlängerung der Arbeitszeit über acht Stunden werktäglich durch eine entsprechende Verkürzung der Arbeitszeit zu anderen Zeiten ausgeglichen wird.

Das Gesetz erlaubt der Aufsichtsbehörde zudem, weitergehende Ausnahmen zulassen, soweit sie im öffentlichen Interesse dringend nötig werden.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) kann zudem durch Rechtsverordnung Ausnahmen zur Arbeitszeit zulassen, und zwar für Arbeitnehmer*innen, die besondere Tätigkeiten zur Errichtung, zur Änderung oder zum Betrieb von Bauwerken, künstlichen Inseln oder sonstigen Anlagen auf See (Offshore-Tätigkeiten) durchführen. Es braucht dazu die Zustimmung des Bundesrats.

Eine solche Rechtsverordnung ist die Offshore-Arbeitszeitverordnung vom 5. Juli 2013. Gemäß § 3 dieser Verordnung darf die tägliche Arbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden verlängert werden.

Arbeitszeit ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen (§ 2 ArbZG). Auch Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst sind Arbeitszeit. Sie müssen – anders als die sogenannte „Rufbereitschaft“ – in vollem Umfang und nicht nur im Umfang des tatsächlichen Arbeitseinsatzes berücksichtigt werden.

Die Europäische Arbeitszeitrichtlinie definiert Arbeitszeit als jede Zeitspanne, während der Arbeitnehmer*innen gemäß der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeiten, dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen und ihre Tätigkeit ausüben oder Aufgaben wahrnehmen.

Wichtig ist allerdings, dass der europarechtliche Arbeitszeitbegriff nicht uneingeschränkt gilt, wenn es um die Vergütung geht. Insoweit steht der Europäischen Union nämlich keine Regelungskompetenz zu. Mit anderen Worten: Die Europäische Arbeitszeitrichtlinie verbietet nicht, dass Bereitschaftsdienst geringer bezahlt wird als aktive Arbeit.

Die sogenannte „Rufbereitschaft“ wird nicht als Arbeitszeit berücksichtigt und unterscheidet sich vom Bereitschaftsdienst dadurch, dass der Arbeitgeber beim Bereitschaftsdienst den Aufenthaltsort der*des Beschäftigten bestimmt, wohingegen dieser von der*dem Beschäftigten bei der Rufbereitschaft grundsätzlich selbst gewählt werden kann. Allerdings sind Beschäftigte auch während der Rufbereitschaft nicht völlig frei. Sie müssen in der Lage sein, die Arbeit innerhalb einer angemessenen Zeitspanne auf Abruf aufnehmen zu können. Auch dürfen sie sich nicht in einen Zustand versetzen, der ihren Arbeitspflichten entgegensteht. Das betritt etwa Alkohol oder Drogengenuss.

Der EuGH hat in einer Entscheidung von 2018 betont, dass Rufbereitschaft dann Ruhezeit ist, wenn sie die Freizeitgestaltung der Beschäftigten durch die Reaktionszeit nicht unangemessen einschränkt. Kennzeichnend für Rufbereitschaft ist nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, dass zwischen dem Abruf und der Arbeitsaufnahme nur eine solche Zeitspanne liegen darf, deren Dauer den Einsatz nicht gefährdet und die Arbeitsaufnahme ermöglicht. Beschäftigte dürfen sich nicht in einer Entfernung vom Arbeitsort aufhalten, die dem Zweck der Rufbereitschaft zuwiderliefe.

Bereitschaftsdienst statt Rufbereitschaft liegt aber vor, wenn der Arbeitgeber die*den Arbeitnehmer*in in der freien Wahl des Aufenthaltsorts insoweit beschränkt, dass er die Zeit zwischen Abruf und Arbeitsaufnahme genau vorgibt und die Zeitspanne dabei so kurz bemisst, dass sie einer Aufenthaltsbeschränkung gleichkommt.

Das hängt von der Länge der täglichen Arbeitszeit ab. § 4 ArbZG bestimmt, dass die Pausen im Voraus feststehen müssen, also mindestens zu Beginn der täglichen Arbeit. Das Gesetz selbst definiert den Begriff „Pause“ nicht. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sind Pausen im Voraus feststehende Unterbrechungen der Arbeit, in denen die*der Arbeitnehmer*in weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten hat und frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann.

Da Pausen keine Arbeitszeit sind, sind sie in der Regel auch unbezahlt. Zugunsten der Beschäftigten können aber auch bezahlte Pausen vereinbart werden.

Das Gesetz bestimmt, in welchem Umfang der*dem Arbeitnehmer*in Pausen mindestens zustehen. Bei einer täglichen Arbeitszeit von

  • bis zu sechs Stunden: keine
  • sechs bis neun Stunden: 30 Minuten
  • mehr als neun Stunden: 45 Minuten.

Die Ruhepausen können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer*innen nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden.

Ja. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) kann etwa mit Zustimmung des Bundesrats wie bei der Höchstarbeitszeit Rechtsverordnungen für Arbeitnehmer*innen erlassen, die besondere Tätigkeiten zur Errichtung, zur Änderung oder zum Betrieb von Bauwerken, künstlichen Inseln oder sonstigen Anlagen auf See (Offshore-Tätigkeiten) durchführen. So heißt es z.B. in der Offshore-Arbeitszeitverordnung, dass die Ruhepause bei einer Arbeitszeit von mehr als zehn Stunden mindestens 60 Minuten betragen muss.

Nach dem Ende der täglichen Arbeit steht den Beschäftigten grundsätzlich eine Ruhezeit von elf Stunden zu. Das bestimmt § 5 Abs. 1 ArbZG.

Die Ruhezeit kann allerdings um bis zu einer Stunde gekürzt werden:

  • in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen
  • in Gaststätten und anderen Einrichtungen zur Bewirtung und Beherbergung
  • in Verkehrsbetrieben
  • beim Rundfunk sowie
  • in der Landwirtschaft und in der Tierhaltung.

In diesen Fällen muss es einen Ausgleich geben: Innerhalb eines Kalendermonats oder innerhalb von vier Wochen müssen andere Ruhezeiten dann jeweils auf zwölf Stunden verlängert werden (§ 5 Abs. 2 ArbZG).

In Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen können Kürzungen der Ruhezeit zu anderen Zeiten ausgeglichen werden, wenn Beschäftigte während der Rufbereitschaft in Anspruch genommen werden. Die Rufbereitschaft darf nicht mehr als die Hälfte der Ruhezeit betragen (§ 5 Abs. 3 ArbZG).

Redaktioneller Stand: April 2024

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