Wissen für BR, PR, JAV, MAV + SBV

Arztbesuch während der Arbeitszeit

Krankheit ist nicht planbar. Und ein Arzttermin in der Arbeitszeit manchmal unvermeidbar. Im Streitfall mit dem Arbeitgeber ist es gut, die arbeitsrechtlichen Regelungen zu kennen.

§ 616 BGB regelt die Frage, ob Arbeitnehmer*innen während der Arbeitszeit zum Arzt gehen dürfen und dennoch Arbeitsentgelt bekommen, wenn sie nicht bereits arbeitsunfähig sind.

§ 616 BGB bestimmt hierzu Folgendes: „Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.“ Es kommt also auf die Dringlichkeit des Arztbesuchs an.

Diese Regelung des § 616 BGB gilt allerdings nur, wenn sie nicht im Arbeitsvertrag oder durch einen Tarifvertrag ausgeschlossen worden ist. In diesem Fall dürfen Arbeitnehmer*innen, wenn kein anderer Termin außerhalb der Arbeitszeit verfügbar ist, zwar trotzdem zum Arzt gehen, sie müssen hierfür aber ggf. Freizeitausgleich, Gleitzeit oder Urlaub nehmen.

Gibt die Arztpraxis einen bestimmten Termin vor, der während der persönlichen Arbeitszeit liegt, kommt es darauf an, ob § 616 BGB anwendbar ist oder ob eine tarifvertragliche Regelung existiert, die eine bezahlte Freistellung während der Arbeitszeit ermöglicht.

So kann z.B. die Lohnzahlung des Arbeitgebers für Arztbesuche während der Arbeitszeit davon abhängig gemacht werden, ob der Arztbesuch zur festgelegten Zeit „medizinisch unvermeidbar“ ist (vgl. LArbG Halle (Saale) vom 23.06.2010 – 5 Sa 340/09). Dies ist z.B. auch bei einer morgendlichen Blutabnahme im nüchternen Zustand der Fall.

Erfolgt die Behandlung hingegen lediglich „praxislaufbedingt“ während der Arbeitszeit, so kann eine Entgeltfortzahlungspflicht ausgeschlossen sein.

Eine Besonderheit besteht für eine betriebliche Gleitzeitregelung. Hier gilt, dass Arbeitnehmer*innen für einen Arztbesuch in der Gleitzeit keine Zeitgutschrift verlangen können, wenn keine ausdrückliche anderweitige Regelung besteht (vgl. LAG Hamm vom 11.12.2001 – 11 Sa 247/11). Das Gleiche gilt grundsätzlich auch bei flexiblen Arbeitszeitregelungen.

Teilzeitkräfte haben nach Ansicht der Arbeitsgerichte aufgrund ihrer geringeren Arbeitszeit die Möglichkeit, ihre Arzttermine außerhalb ihrer Arbeitszeit zu legen. Aber auch hier sind Ausnahmen denkbar, wie z.B. bei einer ambulanten Spezialuntersuchung im Krankenhaus.

Es liegt also immer nur dann ein persönlicher Verhinderungsgrund vor, wenn der Arztbesuch zum jeweiligen Zeitpunkt medizinisch notwendig war, wie dies stets bei akuten Beschwerden der Fall ist (BAG vom 29.02.1984, AP Nr. 64 zu § 616 BGB).

Sofern Arbeitnehmer*innen arbeitsunfähig erkrankt sind, müssen sie nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) spätestens nach Ablauf des dritten Tages oder aufgrund arbeitsvertraglicher Regelungen auch früher die Arbeitsunfähigkeit ärztlich feststellen lassen. Es besteht ein Anspruch auf Lohnfortzahlung nach dem EntgFG.

Bei bestehender Arbeitsunfähigkeit muss der Arbeitgeber nach dem EntgFG (Entgeltfortzahlungsgesetz) das Gehalt weiterzahlen.

Ist die betroffene Person nicht arbeitsunfähig und ein Arztbesuch trotzdem notwendig, müssen Arbeitnehmer*innen versuchen, einen Arzttermin außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit zu vereinbaren. Ist das nicht möglich, weil die Arztpraxis für eine dringende Behandlung (z.B. akute Schmerzen, Verletzung) keine Termine außerhalb der Arbeitszeit anbietet, muss der Arbeitgeber in dringenden Fällen auch einen Arzttermin während der Arbeitszeit dulden und das Gehalt für diese Zeit weiterzahlen. Das gilt aber nur, wenn § 616 BGB, wie bereits oben erwähnt, nicht arbeits- oder tarifvertraglich ausgeschlossen worden ist.

Grundsätzlich sind Arbeitnehmer*innen verpflichtet, einen frühen oder späten Termin (also am Rande der Arbeitszeit) zu wählen, damit der Arbeitgeber durch die notwendigen Fahrtzeiten nicht zusätzlich belastet wird.

Redaktioneller Stand: März 2024

© ver.di Bildung + Beratung Gem. GmbH

nach oben