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Bewerbungsgespräch: Wonach darf der Arbeitgeber fragen?

Folgende Situation kennen alle Bewerber*innen: Sie sitzen ihrem potenziellen Arbeitgeber in einem Gespräch gegenüber und sehen sich plötzlich unangenehmen Fragen ausgesetzt, wie zum Beispiel nach Ihren Vermögensverhältnissen oder einem Kinderwunsch.

Sie befinden sich dann in einem Gewissenskonflikt: Beantworten Sie die Fragen nicht, sinken Ihre Chancen auf einen Arbeitsvertrag unter Umständen beträchtlich, aber Sie wollen auch nicht alles über sich preisgeben.

Grundsätzlich gilt, dass Bewerber*innen zulässige Fragen wahrheitsgemäß beantworten müssen. Das Fragerecht des Arbeitgebers gilt aber nur, wo er ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis hat. Sprich, er darf nur nach Sachverhalten fragen, die für das Arbeitsverhältnis und für die ordnungsgemäße Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung von Bedeutung sind. Fragt der potenzielle Arbeitgeber unzulässig, dürfen Bewerber*innen unwahr antworten.

Die Frage nach einer Schwangerschaft ist unzulässig, denn sie enthält in der Regel eine unzulässige Benachteiligung aufgrund des Geschlechts und verstößt damit gegen das Diskriminierungsverbot nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (§ 1 AGG). Dies gilt selbst dann, wenn der zu besetzende Arbeitsplatz dem im Mutterschutzgesetz enthaltenen Katalog der Beschäftigungsverbote unterliegt und die Bewerberin die Tätigkeit zunächst nicht ausüben darf (§ 4 MuSchG sowie BAG vom 06.02.2003 – 2 AZR 621/01). Die Bewerberin braucht diese Frage also nicht zu beantworten oder kann lügen. Gleiches gilt für die Frage nach der Familienplanung.

Bislang hält die Rechtsprechung die Frage nach einer bestehenden Schwerbehinderung für zulässig, auch wenn die Behinderung keinen Einfluss auf die Erbringung der Arbeitsleistung hat (BAG vom 03.12.1998 – 2 AZR 754/97). Seit der Einführung des § 164 SGB IX dürfte diese Frage im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs nicht mehr zulässig sein. Die Vorschrift verbietet die Benachteiligung schwerbehinderter Beschäftigter eben wegen ihrer Behinderung. Im Einzelnen gelten die Vorschriften des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG).

In einer anderen Entscheidung hat das BAG diese Frage offen gelassen (BAG vom 07.07.2011 – 2 AZR 396/10). Allerdings lehnte es eine Anfechtung des Arbeitsvertrags durch den Arbeitgeber wegen arglistiger Täuschung ab. Es war der Meinung, dass die Täuschung nicht für den Abschluss des Arbeitsvertrags ursächlich gewesen sei.

Sind Bewerber*innen aufgrund ihrer Behinderung nicht in der Lage, die Tätigkeit auszuführen, liegt jedoch keine unzulässige Benachteiligung vor. Die Frage nach den körperlichen oder geistigen Fähigkeiten ist aber nur zulässig, wenn diese zwingend für die berufliche Tätigkeit ist. Besteht das Arbeitsverhältnis dagegen länger als sechs Monate, darf der Arbeitgeber nach einer Schwerbehinderung fragen, wenn er den entsprechenden Schutz des schwerbehinderten Menschen gewährleisten möchte (BAG vom 16.02.2012 – 6 AZR 553/10).

Grundsätzlich ist die Frage nach den Vermögensverhältnissen von Bewerbern unzulässig. Dies gilt sowohl für bestehendes Vermögen als auch für bestehende Schulden. Das Landesarbeitsgericht Bremen hat entschieden, dass gegenüber dem Arbeitgeber keine Verpflichtung besteht, vorhandene Verbindlichkeiten zu offenbaren (LAG Bremen vom 04.02.1981 – 2 Sa 207/80).

Ebenfalls nicht fragen darf ein Arbeitgeber, ob Lohn- und Gehaltspfändungen vorliegen. Dies gilt jedoch nicht, wenn die zu besetzende Stelle ein besonderes Maß an Vertrauen erfordert und der Arbeitgeber daher ein besonderes Interesse an den wirtschaftlichen Verhältnissen des Arbeitnehmers hat. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Beschäftigte entweder mit Geld umgehen müssen oder die Gefahr der Bestechung besteht.

Die Religions- oder Gewerkschaftszugehörigkeit ist in der Regel für die auszuübende Tätigkeit unerheblich, womit eine Frage danach unzulässig ist. Auch hier bestehen jedoch Ausnahmen. Wollen Kirchen oder Gewerkschaften Mitarbeiter*innen einstellen, sind Fragen danach zulässig, um den Tendenzbezug sicherzustellen. Stellt der Arbeitgeber eine Mitarbeiterin ein, kann er nach der Religionszugehörigkeit fragen, wenn er die Angaben für die Lohnberechnung benötigt.

Die Frage nach bestehenden Vorstrafen darf der Arbeitgeber nur stellen, wenn und soweit die auszuübende Tätigkeit dies erfordert (BAG vom 20.05.1999 – 2 AZR 320/98). So darf eine Bank zum Beispiel nach Vorstrafen zu Vermögensdelikten fragen, wenn sie eine Kassiererin sucht. Unternehmen, die einen Kraftfahrer einstellen wollen, dürfen nach Vorstrafen im Verkehrsbereich fragen.

Als Vorstrafen in diesem Sinne gelten jedoch nur solche, die im Bundeszentralregister aufgeführt werden. Ist die Vorstrafe bereits getilgt, muss sie nicht angegeben werden. Eine solche Tilgung geschieht je nach Schwere der Tat fünf bis zehn Jahre nach der Verurteilung (§ 46 BZRG). Ebenfalls nicht angegeben werden muss eine Vorstrafe, die nicht in das polizeiliche Führungszeugnis aufzunehmen ist  ̶  zum Beispiel eine Geldstrafe von weniger als 90 Tagessätzen (§ 32 Abs. 2 BZRG),

Auch die Frage nach einem anhängigen Ermittlungsverfahren kann im Einzelfall zulässig sein. Dann nämlich, wenn ein Ermittlungsverfahren Zweifel an der persönlichen Eignung des Arbeitnehmers begründen kann. Ein Kindergärtner etwa, gegen den ein Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindergartenkindern in einem vorhergehenden Arbeitsverhältnis läuft, kann sich nicht auf die Unzulässigkeit berufen. Die in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Unschuldsvermutung steht dem nicht entgegen (Art. 6 Abs. 2 EMRK).

Hat ein*e Arbeitnehmer*in falsch geantwortet, kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag anfechten. Dieses Recht setzt zunächst voraus, dass die gestellte Frage zulässig ist. Zudem müssen Bewerber*innen falsche Tatsachen vorgespiegelt und damit einen Irrtum erregt haben. Dieser Irrtum muss ursächlich für den Abschluss des Arbeitsvertrags gewesen sein. Ein berechtigter Irrtum liegt jedoch nicht vor, wenn der Arbeitgeber die Wahrheit trotz der falsch beantworteten Frage kennt.

Ist die Anfechtung berechtigt, endet das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung. Bei der Anfechtung handelt es sich nicht um eine Kündigung, sodass weder eine Kündigungsfrist besteht noch eine Anhörung des Betriebsrats erforderlich ist.

Redaktioneller Stand: Mai 2019

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