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Seminarbesuch auch in Krisenzeiten

Die Corona-Pandemie stürzt die Wirtschaft in die stärkste Krise der Nachkriegszeit und Millionen Arbeitnehmer/-innen in Kurzarbeit und Existenzangst. Betriebsräte* sind in der Krise noch mehr gefordert als schon zuvor. Und sie stehen oft vor der Frage: Können wir denn jetzt, wo alle den Gürtel enger schnallen müssen, eine Fortbildung in Anspruch nehmen? Hier ein paar Hilfen, um eine Entscheidung zu finden:

Ja, natürlich! Das Betriebsverfassungsgesetz ist nicht für gute Zeiten geschaffen worden, sondern besonders für die schweren, für die konfliktträchtigen. Der Schulungsanspruch ist in diesem Gesetz (§ 37 Abs. 6 BetrVG) so klar festgeschrieben, wie es Juristen eben können. Wenn der Betriebsrat feststellt, dass eine Fortbildung notwendig ist, kann er sie einfordern. Entscheidend ist die berühmte „Erforderlichkeit“. Ist die gegeben, kann kein Arbeitgeber eine angemessene Schulung rechtswirksam verbieten – auch nicht in der Krise.

In Krisenzeiten ist der Betriebsrat noch mehr gefordert als bei bester Geschäftslage. Denn nun sollen Arbeitsabläufe und Dienstpläne geändert, Arbeitszeiten eingeschränkt, Versetzungen vorgenommen, Betriebsänderungen durchgeführt oder schlimmstenfalls Kolleginnen und Kollegen entlassen und Sozialpläne erarbeitet werden. Der Betriebsrat muss Betriebsvereinbarungen schließen, Informationen für die Kolleginnen und Kollegen erstellen, Gespräche mit dem Arbeitgeber und der Gewerkschaft führen, Verhandlungen vorbereiten. Frischere BR-Mitglieder oder nachgerückte Ersatzmitglieder müssen sich schnell Grundwissen aneignen. Für all diese Angelegenheiten müssen sich Betriebsräte rüsten. Sie müssen entscheiden, welche Schulung sie in ihrer Situation brauchen, was also für sie erforderlich ist.

Die Kurzarbeit ändert nichts am Schulungsanspruch der Betriebsräte. Überhaupt gilt auch in der Zeit der Kurzarbeit der immer gültige Grundsatz: Betriebsräte dürfen weder benachteiligt noch bevorzugt werden. Allerdings wird ihre Seminartätigkeit auch nicht anders bezahlt als ihre normale Tätigkeit im Betrieb. Nicht oder nur zum Teil freigestellte Betriebsratsmitglieder haben deshalb für die Zeit der Schulungsteilnahme Anspruch auf Vergütung für den Anteil der Arbeitszeit, der nicht von Kurzarbeit erfasst ist, auf Kurzarbeitergeld und auf die Aufstockungszuschüsse des Arbeitgebers (so sie denn gezahlt werden). Darüber hinaus haben sie Anspruch auf Freizeitausgleich und zwar für die Zeit, die über ihre aktuelle persönliche Arbeitszeit aufgrund von Kurzarbeit hinausgeht.

Vollständig freigestellte Betriebsratsmitglieder behalten während der Kurzarbeit ihren ungekürzten Vergütungsanspruch – d.h. sie gehen nicht in Kurzarbeit („Fachliche Weisung der BA zum Kurzarbeitergeld“, S. 12). Das gilt auch für die Teilnahme an Seminaren.

Rechtfertigen müssten sich Betriebsräte eigentlich nur, wenn sie sich nicht weiterbilden. Aber natürlich sollten sie ihren Kolleginnen und Kollegen erklären, warum sie sich fortbilden. Denn die haben sie ja gewählt. Und das ist auch der springende Punkt: Betriebsräte wurden gewählt, um die Interessen ihrer Kolleginnen und Kollegen zu vertreten. Das ist nicht nur ihr Recht, sondern ihre Pflicht. Und zur Betriebsratsarbeit gehört einfach eine gute Ausbildung. Das sieht übrigens auch das Bundesarbeitsgericht so. Spätestens wenn es um ihre eigenen Belange geht, werden die Kolleginnen und Kollegen fragen, warum der Betriebsrat sich nicht fit gemacht hat. Dann will jede/-r einen gut geschulten Betriebsrat. Und das sollte der Betriebsrat seinen Kolleginnen und Kollegen auch so sagen.

So groß die Aufgabenfülle für Betriebsräte ist, so vielfältig sind auch die Angebote von ver.di Bildung + Beratung: Basis-Qualifikationen, Aufbau- und Spezialseminare, Tagesschulungen oder auch Online-Seminare für Spezialthemen, Seminare in Tagungshäusern gemeinsam mit anderen Betriebsräten, Seminare nur für das eigene Gremium, inhouse oder im Bildungszentrum, allgemeine themenbezogene Schulungen oder Fortbildungen für ein ganz spezielles Problem. Die Entscheidung fällt oft nicht leicht. Aber dafür gibt es ja die kostenlose Bildungsberatung bei ver.di b+b. Die hilft Betriebsräten schnell, kompetent und mit viel Praxiswissen.

Redaktioneller Stand: Juni 2020

 

* Auch wenn wir im Text zugunsten einer besseren Lesbarkeit immer nur von „Betriebsräten“ sprechen: Gleiches gilt natürlich für Personalräte, Jugend- und Auszubildenden- sowie Schwerbehinderten- und Mitarbeitervertretungen.

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