Wissen für BR, PR, JAV, MAV + SBV

Temperatur am Arbeitsplatz unerträglich? Was können Beschäftigte tun?

Im Sommer lieben wir es, leicht bekleidet im Freibad die Hitze zu genießen, und im Winter ist es wunderbar, klirrende Kälte auf einem Spaziergang zu erleben. Was aber in der Freizeit als angenehm empfunden wird, kann während der Arbeitszeit durchaus stören. Welche Rechte haben Beschäftigte, wenn der Arbeitsplatz im Sommer zur Sauna und im Winter zur Kühlkammer „mutiert“?

Regelungen zum Schutz von Beschäftigten gegen unerträgliche Temperaturen am Arbeitsplatz enthalten insbesondere die Arbeitsschutzbestimmungen.

§ 4 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet den Arbeitgeber, die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird.

Welche Temperaturen am Arbeitsplatz für Beschäftigte geeignet und welche Temperaturen noch zumutbar sind, wird durch die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) in Verbindung mit der hierzu erlassenen Arbeitsstättenregel ASR A3.5 - Raumtemperatur - (ASR) geregelt.

Gemäß § 3a ArbStättV in Verbindung mit Ziffer 3.5 ihres Anhangs muss in Arbeitsräumen, in denen aus betriebstechnischer Sicht keine spezifischen Anforderungen an die Raumtemperatur gestellt werden, während der Nutzungsdauer „eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur“ bestehen.

Die ASR konkretisiert die Anforderungen dahingehend, dass die Mindesttemperatur in Arbeitsräumen je nach Schwere der Arbeit zwischen +12 Grad Celsius (Verrichtung schwerer Arbeit) und +20 Grad Celsius (leichte sitzende Tätigkeit) liegen muss.

In Sozialräumen wie Pausen-, Bereitschafts- und Sanitärräumen sollen mindestens +21 Grad Celsius vorherrschen, in Waschräumen, in denen Duschen installiert sind, mindestens +24 Grad Celsius.

Gemäß Nr. 4.2 Abs. 3 ASR soll die Lufttemperatur in Arbeitsräumen und den in Nr. 4.2 Absatz 4 ASR genannten Räumen +26 Grad Celsius nicht überschreiten. Eine zwingend einzuhaltende Temperaturobergrenze ist damit nicht festgeschrieben. Klettert die Raumtemperatur über +26 Grad Celsius, hat der Arbeitgeber allerdings Schutzmaßnahmen zu ergreifen und für erträgliche Temperaturen zu sorgen.

Führt die Sonneneinstrahlung durch Fenster, Oberlichter und Glaswände – auch bei Außenlufttemperaturen unter +26 Grad Celsius – zu einer Erhöhung der Raumtemperatur über +26 Grad Celsius, so sind diese Bauteile mit geeigneten Sonnenschutzsystemen auszustatten.

Liegt schon die Außentemperatur bei über +26 Grad Celsius, beschreibt die ASR ein an Lufttemperaturen (+26/+30/+35 Grad Celsius und darüber) im Arbeitsraum geknüpftes Stufenmodell. Bei einer Raumtemperatur von über +26 Grad Celsius sollen, bei einer Raumtemperatur über +30 Grad müssen vom Arbeitgeber wirksame Maßnahmen gegen die Hitze ergriffen werden.

Beispielhafte Maßnahmen der ASR:

  • Effektive Steuerung des Sonnenschutzes (z.B. Jalousien auch nach der Arbeitszeit geschlossen halten)
  • Effektive Steuerung der Lüftungseinrichtungen (z.B. Nachtauskühlung)
  • Reduzierung der inneren thermischen Lasten (z.B. elektrische Geräte nur bei Bedarf betreiben)
  • Lüftung in den frühen Morgenstunden
  • Nutzung von Gleitzeitregelungen zur Arbeitszeitverlagerung
  • Lockerung der Bekleidungsregeln
  • Bereitstellung geeigneter Getränke (z.B. Trinkwasser)


Steigt die Lufttemperatur im Arbeitsraum über +35 Grad Celsius, ist der Raum für die Zeit der Temperaturüberschreitung ohne besondere Maßnahmen wie bei Hitzearbeit (z.B. Luftduschen, Wasserschleier, Entwärmungsphasen oder Hitzeschutzkleidung) nicht als Arbeitsraum geeignet.

Als weitere Maßnahme außerhalb der o.g. Arbeitsstättenregel wäre z.B. die Ausweitung ggf. bestehender Homeoffice-Lösungen möglich.

Was kann der*die einzelne Arbeitnehmer*in unternehmen? Kann er*sie der Arbeit fernbleiben, wenn der Arbeitsplatz im Sommer zu warm oder im Winter zu kalt ist? Am besten noch mit vollem Entgeltanspruch?

Die klare Antwort: Das geht nur in den seltensten Fällen. Beschäftigte haben bei Über- oder Unterschreiten der Temperaturgrenzen keinen automatischen Anspruch auf Arbeitsbefreiung oder Verkürzung der Arbeitszeit bzw. Verlängerung der Pausen. Allerdings muss der Arbeitgeber dem gestuften Regelungssystem der ASR entsprechende Schutzmaßnahmen durchführen und gewährleisten, dass der Arbeitsplatz kein gesundheitliches Risiko darstellt.

Sofern ein Betriebsrat besteht, sollten sich Beschäftigte bei beeinträchtigenden Temperaturverhältnissen an ihn wenden.

Arbeitnehmer*innen können überdies dem Arbeitgeber gemäß § 17 ArbSchG Vorschläge zu Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes machen. Hilft der Arbeitgeber ihrem Anliegen nicht ab, können sich Beschäftigte, ohne Nachteile befürchten zu müssen, an das zuständige Arbeitsschutzamt wenden.

In absoluten Ausnahmefällen können Arbeitnehmer*innen berechtigt sein, ihre Arbeitsleistung gemäß § 273 BGB zurückzubehalten und die Arbeit einzustellen. Ein solcher Fall könnte vorliegen, wenn der Arbeitgeber keinerlei Maßnahmen zum Schutz vor den Temperaturen unternimmt und die Weiterarbeit unter diesen Umständen für die Beschäftigten ein konkretes Gesundheitsrisiko darstellt. Nur in diesen Ausnahmefällen können Arbeitnehmer*innen die Arbeit unter unvermindertem Entgeltanspruch einstellen, ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen wie Abmahnung oder schlimmstenfalls eine Kündigung befürchten zu müssen. Da die ArbStättV keine genauen Temperaturwerte nennt, bei denen Beschäftigte die Arbeit einstellen dürfen und auch die ASR keinen direkten Anspruch auf „Hitzefrei“ gibt, tragen Arbeitnehmer*innen hier jedoch das Beweisrisiko.

Sollte ein*e Arbeitnehmer*in die Situation falsch einschätzen und die Arbeit demzufolge grundlos einstellen, muss er*sie dann neben dem Entgeltverlust auch mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen.

Das Niederlegen der Arbeit ist deshalb grundsätzlich nicht anzuraten, da der*die Arbeitnehmer*in letztendlich die Gesundheitsgefährdung durch den Temperatureinfluss am Arbeitsplatz beweisen muss. Generell muss der*die Arbeitnehmer*in dem Arbeitgeber einen angemessen Zeitrahmen zur Behebung der Probleme einräumen.

Personengruppen wie Schwangere, Stillende oder hitzebedingt gesundheitsbeeinträchtigte Arbeitnehmer*innen genießen einen besonderen Schutz.

Schwangeren und Müttern in der Stillzeit bietet das Mutterschutzgesetz Hilfe. Sie dürfen nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, bei denen die Hitze oder Kälte zu gesundheitlichen Problemen führt. Weisen diese besonders geschützten Personengruppen ärztliche Atteste vor, die die Einhaltung bestimmter Raumtemperaturen fordern, so hat der Arbeitgeber dieses zu beachten. Gelingt es ihm nicht, die Vorgaben zu erfüllen, besteht ein Anspruch auf Beschäftigung an einem anderen (temperaturverträglichen) Ort oder unter Umständen sogar auf Freistellung von der Arbeit.

Der Betriebsrat hat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei Regelungen über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften mitzubestimmen. § 3a Abs. 1 ArbStättV in Verbindung mit ASR A3.5 eröffnet ein solches Mitbestimmungsrecht für Angelegenheiten des Raumklimagesundheitsschutzes auch ohne Vorliegen einer konkreten Gefahr oder Gefährdungslage (Beschluss des LAG Baden-Württemberg vom 21.10.2015 – 4 TaBV 2/15).

Im Rahmen seines Initiativrechts kann der Betriebsrat von sich aus tätig werden und verlangen, dass der Arbeitgeber mit ihm eine Betriebsvereinbarung zum Thema „Temperaturen am Arbeitsplatz“ abschließt, in welcher z.B. geeignete Maßnahmen zur Senkung der Raumtemperatur an heißen Sommertagen vereinbart werden. Sollte sich der Arbeitgeber hier uneinsichtig zeigen, bleibt dem Betriebsrat die Möglichkeit, unter Einschaltung einer Einigungsstelle eine zwingende Entscheidung zum Thema Gesundheitsschutz herbeizuführen, die für den Arbeitgeber bindend ist.

Überhöhte oder zu niedrige Temperaturen am Arbeitsplatz gefährden nicht nur die Gesundheit der Arbeitnehmer*innen, sondern schränken auch ihre Produktivität in nicht unerheblichem Maße ein. Schon allein aus diesem Grund und aus eigenem Interesse sollte der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen gegen Hitze und Kälte ergreifen. Damit wird die Gesundheit der Beschäftigten und letztendlich auch deren Leistungsfähigkeit aufrechterhalten. Auch kleine Maßnahmen können schon zu einer erheblichen Entlastung führen.

Redaktioneller Stand: Juli 2022

© ver.di Bildung + Beratung Gem. GmbH

nach oben