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Temperatur am Arbeitsplatz unerträglich? Was können Beschäftigte tun?

Gesundheit und Befinden hängen stark von der Temperatur ab, die in unserer Umgebung herrscht. Dabei kommt es auch darauf an, mit welchen Dingen wir uns gerade beschäftigen. Im Sommer genießen wir es, uns leicht bekleidet im Freibad bei Hitze in der Sonne zu aalen. Im Winter gehen wir gern spazieren, obwohl es bitterkalt ist.

Am Arbeitsplatz empfinden wir zu hohe oder zu niedrige Temperaturen nicht nur als lästig: Klimatische Bedingungen an der Arbeitsstätte wirken sich auf unsere Gesundheit und auch die Ergebnisse unserer Arbeit aus. Welche Rechte haben Beschäftigte, wenn der Arbeitsplatz im Sommer zur Sauna und im Winter zur Kühlkammer „mutiert“?

Arbeitgeber sind verpflichtet, die Gesundheit ihrer Beschäftigten zu schützen. Sie müssen Risiken evaluieren und geeignete Maßnahmen treffen, um Gesundheitsrisiken zu vermeiden. Das schreiben die „Richtlinie Arbeitsschutz der Europäischen Union“ (Richtlinie 89/391/EWG) sowie etliche Verordnungen der EU für alle Mitgliedsstaaten vor. In Deutschland gelten auf dieser Grundlage das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und zahlreiche Verordnungen, insbesondere die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR).

Der Anhang zur Arbeitsstättenverordnung (Ziffer 3.5 zu § 3a ArbStättV) enthält Regelungen zur Raumtemperatur. Danach müssen Arbeitsräume, in denen aus betriebstechnischer Sicht keine spezifischen Anforderungen an die Raumtemperatur gestellt werden, während der Nutzungsdauer unter Berücksichtigung

  • der Arbeitsverfahren und
  • der physischen Belastungen der Beschäftigten

eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur haben.

Welche das im Einzelnen ist, kommt auf die Art der Arbeitsstätte an. Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten wieder. Die aktuellen ASR orientieren sich am Stand der Technik am 1. März 2022. Eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur liegt nach den ASR vor, wenn die Wärmebilanz (Wärmezufuhr, Wärmeerzeugung und Wärmeabgabe) des menschlichen Körpers ausgeglichen ist.

Der Arbeitgeber muss schon beim Einrichten der Arbeitsstätte darauf achten, dass die baulichen Voraussetzungen an den sommerlichen Wärmeschutz nach den anerkannten Regeln der Technik (nach geltendem Baurecht) gegeben sind. Hält der Arbeitgeber die ASR ein, kann er davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnung erfüllt sind. Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er damit mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Schutz der Gesundheit für die Beschäftigten erreichen.

Gemäß Ziffer 4.2 ASR (Technische Regeln für Arbeitsstätten) hängt die Mindesttemperatur von der Arbeitsschwere und der Körperhaltung ab. Allgemein gilt (Tabelle 1):

Überwiegende Körperhaltung

Arbeitsschwere

leicht

mittel

schwer

Sitzen

+20 °C

+19 °C

-

Stehen, Gehen

+19 °C

+17 °C

+12 °C

 

Üblicherweise reichen für die Klassifizierung der Arbeitsschwere die Angaben aus Tabelle 2 (ASR A3.5) aus:

Arbeitsschwere

Beispiele

leicht

leichte Hand-/Armarbeit bei ruhigem Sitzen bzw. Stehen verbunden mit gelegentlichem Gehen

mittel

mittelschwere Hand-/Arm- oder Beinarbeit im Sitzen, Gehen oder Stehen

schwer

schwere Hand-/Arm-, Bein- und Rumpfarbeit im Gehen oder Stehen

 

Im Übrigen gilt gemäß Abschnitt 4 ASR A3.5 – Raumtemperaturen:

Pausen-, Bereitschafts-, Sanitär-, Kantinen- und Erste-Hilfe-Räume

während der Nutzungsdauer muss eine Lufttemperatur von mindestens +21 °C herrschen

Toilettenräume

die Lufttemperatur von mindestens +21 °C darf durch Lüftungsvorgänge, die durch die Benutzer ausgelöst werden, kurzzeitig unterschritten werden

Stationäre Toilettenanlagen, die für Beschäftigte bei Arbeiten im Freien oder für gelegentlich genutzte Arbeitsstätten eingerichtet werden

während der Nutzungsdauer muss eine Lufttemperatur von +21 °C erreicht werden können

Waschräume, in denen Duschen installiert sind

während der Nutzungsdauer muss die Lufttemperatur mindestens +24 °C betragen

Allgemein gilt, dass in Arbeitsräumen eine Temperatur von +26 °C nicht überschritten werden soll. Dasselbe gilt auch für Pausen-, Bereitschafts-, Sanitär-, Kantinen- und Erste-Hilfe-Räume.

Die Regelung ist also eine Soll-Regel. Die ASR (Technische Regeln für Arbeitsstätten) verbietet Arbeiten bei höheren Temperaturen in Arbeitsräumen also nicht. Sie trägt dem Arbeitgeber aber auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, damit diese Temperatur möglichst nicht überschritten wird.

Die ASR (Technische Regeln für Arbeitsstätten) sehen vor, dass Fenster, Oberlichter und Glaswände, die der Tageslichtversorgung dienen, so zu gestalten sind, dass eine ausreichende Tageslichtversorgung gewährleistet ist und gleichzeitig störende Blendung und übermäßige Erwärmung vermieden werden.

Führt die Sonneneinstrahlung durch Fenster, Oberlichter und Glaswände zu einer Erhöhung der Raumtemperatur über +26 °C, so sind diese Bauteile mit geeigneten Sonnenschutzsystemen auszurüsten. Dazu gehören

  • Sonnenschutzvorrichtungen, die das Fenster von außen beschatten (z.B. Jalousien oder hinterlüftete Markisen)
  • im Zwischenraum der Verglasung angeordnete reflektierende Vorrichtungen
  • innenliegende hochreflektierende oder helle Sonnenschutzvorrichtungen
  • Sonnenschutzverglasungen.

Störende direkte Sonneneinstrahlung auf den Arbeitsplatz sollen darüber hinaus unbedingt vermieden werden.

Wird die Lufttemperatur im Raum von +26 °C überschritten – etwa wegen einer höheren Außentemperatur – muss der Arbeitgeber zusätzliche Maßnahmen ergreifen. Überschreitet die Lufttemperatur im Raum +30 °C, werden wirksame Maßnahmen fällig, welche die Beanspruchung der Beschäftigten reduzieren. Dabei gehen technische und organisatorische gegenüber personenbezogenen Maßnahmen vor.

Diesbezüglich nennen die ASR beispielhaft folgende Maßnahmen:

  • effektive Steuerung des Sonnenschutzes (z.B. Jalousien auch nach der Arbeitszeit geschlossen halten)
  • effektive Steuerung der Lüftungseinrichtungen (z.B. Nachtauskühlung)
  • Reduzierung der inneren thermischen Lasten (z.B. elektrische Geräte nur bei Bedarf betreiben)
  • Lüftung in den frühen Morgenstunden
  • Nutzung von Gleitzeitregelungen zur Arbeitszeitverlagerung
  • Lockerung der Bekleidungsregelungen
  • Festlegung zusätzlicher Entwärmungsphasen
  • Nutzung von Ventilatoren (z.B. Tisch-, Stand-, Turm- oder Deckenventilatoren).

Wird die Lufttemperatur im Raum von +35 °C überschritten, so ist der Raum für die Zeit der Überschreitung ohne technische Maßnahmen nicht als Arbeitsraum geeignet.

Erste Anlaufstelle für Beschäftigte ist der Betriebsrat bzw. der Personalrat.

Beschäftigte sind gemäß § 17 ArbSchG außerdem berechtigt, dem Arbeitgeber Vorschläge zu allen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit zu machen. Dazu gehört auch, den Arbeitgeber darauf hinzuweisen, dass am Arbeitsplatz unerträgliche Temperaturen herrschen. Schafft der Arbeitgeber keine Abhilfe, können sich Arbeitnehmer*innen an die zuständige Behörde wenden. Hierdurch dürfen ihnen keine Nachteile entstehen.

Zuständig sind in der Regel die Gewerbeaufsichtsämter. Es kommt darauf an, in welchem Bundesland die Arbeitsstätte liegt. Das Bundeministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hält auf seiner Website eine entsprechende Liste bereit.

Das ist nur in absoluten Ausnahmefällen ratsam. Weder die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) noch die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) sehen vor, dass Beschäftigte ab einer bestimmten Temperatur oder unterhalb einer Temperatur die Arbeit einstellen dürfen.

Die Arbeitsverweigerung steht gemäß der Rechtsprechung des BAG unter dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die*der Arbeitnehmer*in muss dem Arbeitgeber unter Angabe des Grundes klar und eindeutig mitteilen, sie*er werde ihre*seine Arbeit verweigern, bis er konkrete Maßnahmen gemäß der ASR getroffen hat. Nur so wird der Arbeitgeber in die Lage versetzt, den möglichen Anspruch der Beschäftigten zu prüfen und ggf. zu erfüllen (BAG vom 19.01.2022 – 5 AZR 346/21, Rn. 25).

Verweigert ein*e Arbeitnehmer*in unberechtigt die Arbeitsleistung, kann darin ein Kündigungsgrund für den Arbeitgeber liegen. Das gilt selbst, wenn die*der Beschäftigte irrtümlich angenommen hat, im Recht zu sein. Es ist daher dringend anzuraten, dass Beschäftigte unbedingt den Rat ihrer Gewerkschaft einholen, bevor sie dem Arbeitgeber mitteilen, dass sie ihre Arbeitsleistung verweigern. Keineswegs sollten Beschäftigte ohne jede Ankündigung einfach von der Arbeit fernbleiben.

Schwangere und Stillende dürfen nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, bei denen die Hitze oder Kälte zu gesundheitlichen Problemen führt. Arbeitgeber müssen für diese Personengruppe eine besondere Gefährdungsbeurteilung durchführen (§ 10 Mutterschutzgesetz – MuSchG). Es geht darum, mögliche Gefährdungen am Arbeitsplatz nach Art, Ausmaß und Dauer zu beurteilen, denen Schwangere oder Stillende oder ihr Kind ausgesetzt sind oder sein können. Sobald eine Frau dem Arbeitgeber mitgeteilt hat, dass sie schwanger ist oder stillt, hat der Arbeitgeber unverzüglich die nach Maßgabe der Gefährdungsbeurteilung erforderlichen Schutzmaßnahmen festzulegen. Zusätzlich hat der Arbeitgeber der Frau ein Gespräch über weitere Anpassungen ihrer Arbeitsbedingungen anzubieten.

Schwangere Stillende sollten ihre*n behandelnde*n Ärzt*in fragen, ob Hitze oder Kälte in ihrem Fall zu gesundheitlichen Problemen führen können. Weisen sie ärztliche Atteste vor, die die Einhaltung bestimmter Raumtemperaturen fordern, so hat der Arbeitgeber dieses zu beachten. Gelingt es ihm nicht, die Vorgaben zu erfüllen, besteht ein Anspruch auf Beschäftigung an einem anderen (temperaturverträglichen) Ort oder unter Umständen sogar auf Freistellung von der Arbeit.

Zum Schutz der Schwangeren und des Kindes kann die*der behandelnde Ärzt*in ein Beschäftigungsverbot erteilen (§ 16 MuSchG). Nach dieser Vorschrift darf der Arbeitgeber eine Schwangere nicht beschäftigen, soweit nach einem ärztlichen Zeugnis ihre Gesundheit oder die ihres Kindes durch die Beschäftigung gefährdet ist. Die*der Mediziner*in kann etwa untersagen, dass die Schwangere in Räumen arbeitet, in denen regelmäßig Temperaturen über einer bestimmten Gradzahl herrschen. Das muss der Arbeitgeber auf jeden Fall beachten.

Fordert der Arbeitgeber die Schwangere auf, entgegen des ärztlichen Beschäftigungsverbots zu arbeiten, kann sie die Leistung verweigern. Der Arbeitgeber begeht dann sogar eine Ordnungswidrigkeit, die mit Geldbuße bis zu 5.000,00 Euro geahndet werden kann. Betroffene sollten sich unbedingt Rat bei ihrer Gewerkschaft einholen.

§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG regelt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Regelungen zum Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich auf Maßnahmen des Arbeitgebers zur Verhütung von Gesundheitsschäden, die Rahmenvorschriften konkretisieren. Es setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und mangels einer zwingenden gesetzlichen Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen. Unerheblich ist, ob die Rahmenvorschriften dem Gesundheitsschutz mittelbar oder unmittelbar dienen (BAG vom 28.03.2017 – 1 ABR 25/15, Rn. 18).

Im Rahmen des Initiativrechts kann der Betriebsrat von sich aus tätig werden und verlangen, dass der Arbeitgeber mit ihm eine Betriebsvereinbarung abschließt, in welcher etwa geeignete Maßnahmen zur Senkung der Raumtemperatur an heißen Sommertagen vereinbart werden. Sollte sich der Arbeitgeber hier uneinsichtig zeigen, bleibt dem Betriebsrat die Möglichkeit, unter Einschaltung einer Einigungsstelle eine zwingende Entscheidung zum Thema „Gesundheitsschutz“ herbeizuführen, die für den Arbeitgeber bindend ist.

Ein Mitbestimmungsrecht und damit auch ein Initiativrecht gibt es aber nur insoweit, als es keine zwingenden gesetzlichen Vorgaben gibt. Maßnahmen, die die ASR (Technischen Regeln für Arbeitsstätten) zwingend vorsehen, müssen nicht in Betriebsvereinbarungen geregelt werden.

Redaktioneller Stand: Juni 2025

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