Wissen für BR, PR, JAV, MAV + SBV

Urlaubsabgeltung

Unter welchen Voraussetzungen können sich Urlaubsansprüche ansammeln, und wann ist ein finanzieller Ausgleich („Abgeltung“) möglich? Allgemeine Fragen zum Thema „Urlaub“ finden Sie in unserem Praxistipp „Urlaubsrecht“.

Solange das Arbeitsverhältnis besteht, ist eine Abgeltung des Urlaubs ausgeschlossen und kann auch nicht wirksam vereinbart werden.

Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. Voraussetzung für einen Abgeltungsanspruch ist, dass zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch ein Resturlaubsanspruch besteht und dieser nicht vorher schon verfallen ist (siehe hierzu unseren Praxistipp „Urlaubsrecht“). Die Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist irrelevant: So können sowohl bei einer Beendigung durch Kündigung, Ablauf einer Befristung, Eintritt einer Bedingung oder auch im Todesfall noch Urlaubsansprüche offen sein, die sich zum Zeitpunkt der Beendigung in einen Abgeltungsanspruch bzw. Zahlungsanspruch umwandeln.

Deshalb können auch Erben einen Abgeltungsanspruch haben. Verstirbt eine beschäftigte Person nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so geht der bereits mit Beendigung entstandene Abgeltungsanspruch unmittelbar auf die Erben über (BAG vom 22.09.2015 – 9 AZR 532/11). Stirbt ein*e Arbeitnehmer*in während eines laufenden Arbeitsverhältnisses, wandeln sich die zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfüllten Urlaubsansprüche nach der Rechtsprechung des EuGH und des BAG in einen Abgeltungsanspruch um. Die Erben können diesen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen (EuGH vom 06.11.2018 – C-569/16 und C-570/16 sowie BAG vom 22.01.2019 – 9 AZR 45/16).

Die Höhe des Abgeltungsanspruchs richtet sich danach, wie viele Tage Urlaub noch offen sind und ob sich auch aus Vorjahren noch nicht verfallener Urlaub angesammelt hat.

Im laufenden Kalenderjahr ist zumindest für die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs entscheidend, ob das Arbeitsverhältnis in der ersten oder in der zweiten Jahreshälfte endet. Bei einer Beendigung im ersten Kalenderhalbjahr besteht nur ein anteiliger Urlaubs- und damit auch nur ein anteiliger Abgeltungsanspruch (§ 5 Abs. 1c BUrlG). Für jeden vollen Arbeitsmonat besteht bei einer Beendigung in der ersten Jahreshälfte somit nur ein Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs. Endet das Arbeitsverhältnis dagegen in der zweiten Jahreshälfte, ist der gesetzliche Mindesturlaub in voller Höhe abzugelten. Diese Regelung zum Mindesturlaub kann auch nicht in Arbeits- oder Tarifverträgen ausgeschlossen werden. Bezüglich des vertraglichen oder tariflichen Mehrurlaubes (siehe hierzu unseren Praxistipp „Urlaubsrecht“) können in Arbeits- oder Tarifverträgen günstigere Regelungen enthalten sein.

 


Beispiel 1: Das Arbeitsverhältnis wurde aufgrund einer fristlosen Kündigung des Arbeitgebers zum 30.09.2023 beendet. Der Mindesturlaubsanspruch für das Jahr 2023 betrug bei einer 5-Tage-Woche 20 Tage, wovon die beschäftigte Person zehn Tage in den Sommerferien genommen hatte. Da das Arbeitsverhältnis in der zweiten Jahreshälfte beendet worden ist, ist der volle Urlaubsanspruch für das Jahr 2023 entstanden. Der Resturlaubsanspruch beläuft sich somit auf zehn Tage. Diese Tage muss der Arbeitgeber abgelten.

Beispiel 2: Das Arbeitsverhältnis endet aufgrund einer fristlosen Kündigung des Arbeitgebers zum 31.03.2023. Der Mindesturlaubsanspruch für das Jahr 2023 belief sich auf 20 Tage. Abzugelten ist jedoch nur der anteilige Anspruch von fünf Tagen. Diese werden wie folgt berechnet: 20 Urlaubstage geteilt durch zwölf Monate sind 1,6. Bei drei vollen Arbeitsmonaten sind das aufgerundet fünf Tage.

Die Frage, ob über den Urlaub des laufenden Jahres hinaus noch weitere Urlaubsansprüche aus den Vorjahren abzugelten sind, ist z.T. rechtlich nicht immer einfach zu beantworten. Es ist zu klären, ob Urlaubsansprüche bereits verfallen oder wirksam übertragen worden sind. Die Rechtsprechung hierzu ist sehr komplex und eine individuelle Prüfung z.B. bei Langzeiterkrankungen ist auf jeden Fall erforderlich. Ebenso können nach der Rechtsprechung Urlaubsansprüche aufgelaufen sein, wenn der Arbeitgeber bei fehlenden Urlaubsanträgen nicht rechtzeitig darauf hingewirkt hat, dass Beschäftigte ihren Urlaub auch nehmen (siehe hierzu auch unseren Praxistipp „Urlaubsrecht“).

Da es sich bei Abgeltungsansprüchen um reine Geldforderungen handelt, die mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig werden, müssen diese nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts innerhalb tariflicher oder arbeitsvertraglich vereinbarter Ausschlussfristen geltend gemacht werden (BAG vom 31.1.2023 – 9 AZR 244/20). Sofern für ein Arbeitsverhältnis keine Ausschlussfristen zur Anwendung kommen, gilt für den Abgeltungsanspruch die dreijährige Verjährungsfrist, die mit dem Ende des Jahres, in welchem das Arbeitsverhältnis beendet worden ist, beginnt.

Bei einer Fünftagewoche gilt in der Regel:
Gesamtverdienst der letzten 13 Wochen mal Anzahl der Urlaubstage durch 65 = Abgeltungsbetrag

Bei einer Sechstagewoche gilt:
Gesamtverdienst der letzten 13 Wochen mal Anzahl der Urlaubstage durch 78 = Abgeltungsbetrag

Haben Arbeitslose wegen der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung erhalten oder zu beanspruchen, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit des abgegoltenen Urlaubs. Dieser Zeitraum beginnt mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses, das die Urlaubsabgeltung begründet hat (§ 157 Abs. 2 SGB III).

Redaktioneller Stand: Mai 2023

© ver.di Bildung + Beratung Gem. GmbH

nach oben