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Whistleblowing – Meldung von Verstößen des Arbeitgebers

Beschäftigte können in erhebliche Gewissenskonflikte geraten, wenn sie Kenntnis von Straftaten des Arbeitgebers oder Missständen im Betrieb erlangen. Wann überwiegt die Verschwiegenheits- und Loyalitätspflicht gegenüber dem Arbeitgeber oder der Dienststellenleitung, und wann gebieten Moral oder staatsbürgerliche Pflichten, den Arbeitgeber oder Vorgesetzte zu „verpfeifen“? Seit Juni 2023 ist das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (Hinweisgeberschutzgesetz – HinSchG) in Kraft. Es regelt den Schutz von Personen, die Verstöße im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit bei den gesetzlich vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte sich im Jahr 2003 in einer Grundsatzentscheidung mit dem Schutz von Personen befasst, die ihre Arbeitgeber bei der Staatsanwaltschaft angezeigt haben.

Eine Pflegerin hatte 2003 in einem Pflegeheim mehrfach unhaltbare Zustände zunächst bei ihrem Arbeitgeber, dann bei der übergeordneten Heimaufsicht angezeigt. Diese stellte gravierende Pflegemängel fest. Das hatte den Arbeitgeber jedoch nicht bewogen, sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen, um die Mängel abzustellen. Die Pflegerin zeigte den Arbeitgeber deshalb bei der Staatsanwaltschaft an und erhielt „zur Belohnung“ eine Kündigung. Vor deutschen Gerichten hatte sie in allen Instanzen bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG) verloren.

Der EGMR sah Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) – Freiheit der Meinungsäußerung – verletzt. Das Urteil des BAG verstieß also gegen Menschenrechte. Der EGMR stellte aber auch klar, dass Beschäftigte zu Loyalität, Zurückhaltung und Vertraulichkeit gegenüber ihren Arbeitgebern verpflichtet sind. Der Gang an die Öffentlichkeit sei immer nur als „letztes Mittel“ gerechtfertigt.

Diese Entscheidung hat gezeigt, dass es einheitliche Standards für die Meldung von Missständen geben muss. Zugleich muss geregelt werden, wie Arbeitnehmer*innen geschützt werden, die Missstände melden. Mit einer Richtlinie vom Oktober 2019 hat die Europäische Union ihre Mitgliedstaaten verpflichtet, in ihren nationalen Gesetzen entsprechende Regelungen zu treffen und sie hat zugleich Mindeststandards vorgegeben. Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz und einigen Änderungen in bestehenden Gesetzen ist Deutschland im Juni 2023 dieser Pflicht nachgekommen.

Der Schutz von „Hinweisgeber*innen“ bzw. „Whistleblower*innen“ soll in Deutschland durch das HinSchG wirksam und nachhaltig verbessert werden. Der Schutz war bislang lückenhaft und völlig unzureichend. Zugleich setzt der Gesetzgeber Vorgaben der Europäischen Union durch die „Whistleblowing-Richtlinie“ von 2019 um.

Kern des Gesetzes ist die Einrichtung von Meldestellen, an die Personen Informationen über Verstöße weitergeben können, von denen sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Kenntnis erlangt haben. Gleichzeitig sollen diese Personen umfassend geschützt werden, wenn sie Missstände in ihrem Arbeitsumfeld melden und offenlegen, soweit das Gesetz das zulässt.

Es gibt interne und externe Meldestellen. Das Gesetz verpflichtet Arbeitgeber oder andere „Beschäftigungsgeber“ mit mindestens 50 Beschäftigten, interne Meldestellen einzurichten und zu betreiben. Mehrere private Beschäftigungsgeber mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten können eine gemeinsame Stelle einrichten und betreiben.

Personen, die der Arbeitgeber mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragt hat, sind bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig. Insoweit verfügt der Arbeitgeber nicht über ein Weisungsrecht. Andere Aufgaben und Pflichten dürfen diese Personen nur wahrnehmen, wenn sie nicht zu Interessenkonflikten führen.

Es gibt mehrere externe Meldestellen auf Bundesebene. Für die meisten Bereiche, die das Arbeits- oder Beamt*innenverhältnis betreffen, ist diejenige zuständig, die beim Bundesamt für Justiz eingerichtet ist. Sie bearbeitet u.a. Hinweise auf Straftaten, Ordnungswidrigkeiten, Umwelt- und Verbraucherschutz oder öffentliche Gesundheit.

Wer einen Hinweis auf einen wesentlichen Verstoß gibt, soll auf den Schutz des HinSchG vertrauen können. Einen Verstoß im Sinne des HinSchG begeht jemand, der im Rahmen einer beruflichen, unternehmerischen oder dienstlichen Tätigkeit etwas unternimmt oder unterlässt,

  • was nach deutschen oder europäischen Vorschriften rechtswidrig ist und
  • Vorschriften oder Rechtsgebiete betrifft, die in den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes fallen.

Das sind alle Verstöße, für die unsere Gesetze Strafen vorsehen. Soweit es um Verstöße geht, die mit einem Bußgeld versehen sind, sind sie nur dann relevant, wenn die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient.

Die Regelung ist indessen weit zu verstehen. Es geht nicht nur um solche, die unmittelbar diesem Zweck dienen. Erfasst sind auch arbeitsschutzrechtliche Mitteilungs-, Erlaubnis-, Prüfungs-, Bestellungs-, Belehrungs-, Dokumentations- und Anzeigepflichten, denn sie dienen ebenfalls auch der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten.

In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich das Mindestlohngesetzes (MiLoG) erwähnt. Verstöße gegen die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns nach § 20 MiLoG sind Verstöße im Sinne des HinSchG. Dasselbe gilt, wenn der Arbeitgeber gegen die Dokumentationspflichten nach § 17 MiLoG, Duldungs- und Mitwirkungspflichten nach § 15 MiLoG oder Meldepflichten nach § 16 MiLoG verstößt.

Auch Ordnungswidrigkeiten nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) sind Verstöße, die Beschäftigte melden können. Das gleiche gilt für Ordnungswidrigkeiten im Sinne von § 121 BetrVG, wenn der Arbeitgeber Aufklärungs- oder Auskunftspflichten nicht, wahrheitswidrig, unvollständig oder verspätet erfüllt.

Erfasst sind zudem Verstöße gegen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder sowie unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft in einer Reihe von Rechtsgebieten, die in § 2 HinSchG beschrieben sind. Es geht z.B. um Rechtsvorschriften und Rechtsakte

  • zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung,
  • mit Vorgaben zur Produktsicherheit und -konformität,
  • mit Vorgaben zur Sicherheit im Straßenverkehr,
  • mit Vorgaben zur Gewährleistung der Eisenbahnbetriebssicherheit,
  • zur Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit oder
  • zur ökologischen Produktion und zur Kennzeichnung von ökologischen Erzeugnissen.

Das sind aber nur einige Beispiele. Die Bundesregierung hat im Gesetzesentwurf diese Vorschrift damit begründet, dass damit auch missbräuchliche Praktiken im Sinne der EuGH-Rechtsprechung vom Anwendungsbereich umfasst sind, die zwar formal nicht als rechtswidrig erscheinen, die jedoch mit dem Ziel oder Zweck der einschlägigen Rechtsvorschriften unvereinbar sind.

Das kann etwa der Fall sein, wenn Arbeitgeber Schutzvorschriften durch „Schummeleien“ umgehen: die Pflicht, den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen, durch unbezahlte Überstunden oder Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz durch angeordnete Arbeitsbereitschaft.

Geschützt sein soll auch, wer verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamt*innen meldet. Das soll auch für Äußerungen gelten, die nicht strafbar sind.

Kein Verstoß im Sinne des HinSchG liegt vor, wenn er nicht im beruflichen Umfeld erfolgt.

Wer sich nicht sicher ist, ob ein Verstoß im Sinne des HinSchG vorliegt, sollte beim Betriebs- oder Personalrat oder der Gewerkschaft Rat suchen. Darüber hinaus bieten externe Meldestellen umfassende und unabhängige Informationen an und beraten über bestehende Abhilfemöglichkeiten und Verfahren für den Schutz vor Repressalien. Dabei informieren sie insbesondere auch über die Möglichkeit einer internen Meldung.

Nach der europäischen „Whistleblower-Richtlinie“ und dem HinSchG müssen interne und externe Meldestellen Meldekanäle einrichten, über die Hinweisgeber*innen sie erreichen können. Das können Briefkästen, Telefonanschlüsse, E-Mail-Accounts oder auch digitale Hinweisgebersysteme über das Internet sein. Die Entscheidung überlässt das Gesetz dem Arbeitgeber. Er muss die Meldekanäle allerdings so einrichten, dass nur die für die Entgegennahme und Bearbeitung der Meldungen zuständigen sowie die sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben unterstützenden Personen Zugriff auf die eingehenden Meldungen haben (§ 16 HinSchG).

Die Meldekanäle für interne Meldestellen müssen zumindest den eigenen Beschäftigten und dem Arbeitgeber überlassenen Leiharbeitnehmer*innen offenstehen. Darüber hinaus können Unternehmen selbst entscheiden, ob das Meldeverfahren auch außenstehenden Personen zur Verfügung steht, die im beruflichen Kontakt zu der Stelle stehen und dort einen Verstoß beobachten.

Externe Meldestellen auf Bundesebene sind über das Internet erreichbar. Die Meldestelle beim Bundesamt für Justiz erreicht man unter diesem Link: https://www.bundesjustizamt.de/DE/MeldestelledesBundes/MeldestelledesBundes_node.html

Externe Meldestellen gibt es zudem noch beim Bundeskartellamt: https://www.bundeskartellamt.de/DE/Kartellverbot/Anonyme_Hinweise/anonymehinweise_node.html

und bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): https://www.bafin.de/DE/DieBaFin/Hinweisgeberstelle/hinweisgeberstelle_node.html

Welche Stelle zuständig ist, erfährt man auf der jeweiligen Homepage.

Jedes Bundesland kann eine eigene externe Meldestelle einrichten für Meldungen, die die jeweilige Landesverwaltung und die jeweiligen Kommunalverwaltungen betreffen.

Die interne Meldestelle muss Hinweisgeber*innen spätestens nach sieben Tagen bestätigen, dass die Meldung eingegangen ist und mit ihr*ihm Kontakt halten. Sie prüft, ob es sich um eine Meldung handelt, die in den sachlichen Anwendungsbereich des HinSchG fällt und ob die Meldung stichhaltig ist.

Sodann muss sie Folgemaßnahmen einleiten. Das sind etwa interne Untersuchungen beim Arbeitgeber. Die interne Meldestelle kann Hinweisgeber*innen auch an eine andere zuständige Stelle verweisen oder die Sache an eine Behörde abgeben.

Alle diese Maßnahmen muss die interne Meldestelle unter Wahrung der Vertraulichkeit wahrnehmen. Informationen können an andere Arbeitseinheiten beim Arbeitgeber weitergegeben werden. Das umfasst auch die Möglichkeit, Fragen zu stellen oder um Mitteilung näherer Anhaltspunkte zur Überprüfung einer Meldung zu bitten, allerdings stets unter Beachtung der Vorgaben die Vertraulichkeit betreffend.

Innerhalb von drei Monaten nach der Bestätigung, dass die Meldung eingegangen ist, muss eine Rückmeldung erfolgen. Diese umfasst die Mitteilung, welche Folgemaßnahmen aus welchem Grund geplant oder bereits ergriffen worden sind.

Auch die externe Meldestelle soll Hinweisgeber*innen spätestens nach sieben Tagen den Eingang der Meldung bestätigen. Sie soll in geeigneten Fällen auf die Möglichkeit einer internen Meldung hinweisen, wenn der Verstoß durch interne Maßnahmen besonders effektiv abgestellt werden könnte und ein Eingreifen der externen Meldestelle oder anderer Aufsichtsbehörden nicht erforderlich erscheint.

Die externe Meldestelle ist dazu verpflichtet, Hinweisgeber*innen innerhalb einer angemessenen Frist eine Rückmeldung über getroffene und beabsichtigte Folgemaßnahmen zu geben. Die Frist beträgt auch hier drei Monate oder in umfangreichen Fällen sechs Monate. Die längere Frist muss die externe Meldestelle Hinweisgeber*innen begründen.

Versäumt es die externe Meldestelle, Hinweisgeber*innen innerhalb der Fristen eine Rückmeldung zu geben, können diese die Missstände der Öffentlichkeit bekannt geben. Das sollte jedoch nicht geschehen, ohne sachkundigen Rat einzuholen, etwa bei der Gewerkschaft.

Ja, dürfen sie in den folgenden beiden Fällen:

  1. Sie haben eine Meldung an eine externe Meldestelle erstattet und erhalten spätestens nach sechs Monaten keine Rückmeldung darüber, welche Folgemaßnahmen die Meldestelle ergriffen hat. In weniger komplizierten Fällen beträgt die Frist nur drei Monate. Hinweisgeber*innen sollten sich nach drei Monaten über den Stand der Angelegenheit bei der externen Meldestelle erkundigen. Diese müsste dann begründen, warum sie keine weiteren Maßnahmen ergriffen hat.
  2. Sie haben hinreichenden Grund zur Annahme, dass im Fall einer externen Meldung Repressalien zu befürchten oder die Aussichten gering sind, dass wirksam gegen den Verstoß vorgegangen wird. Das betrifft vor allem Fälle, in denen Beweismittel zum Beispiel durch den Arbeitgeber oder Dritte unterdrückt oder vernichtet werden könnten. Erfasst sein können darüber hinaus auch Fälle, in denen Verstößen nur unzureichend nachgegangen wurde oder in denen zwar innerhalb der vorgegebenen Fristen geeignete Abhilfemaßnahmen getroffen worden waren, diese aber anschließend nicht oder lediglich unzureichend weiterverfolgt wurden.

Die Regelungen sind etwas kompliziert und selbst für Jurist*innen nicht immer eindeutig. Wer mit Missständen im beruflichen Umfeld an die Öffentlichkeit gehen will, sollte sich unbedingt zuvor von kompetenter Stelle beraten lassen. Das ist für Arbeitnehmer*innen in erster Linie die Gewerkschaft, in der sie Mitglied sind.

Das Gesetz verbietet, dass unrichtige Informationen über Verstöße an die Öffentlichkeit gegeben werden. Das kann zu falschen Verdächtigungen in der Öffentlichkeit führen, die erhebliche Schäden für die betroffenen Personen bedeuten können. Erfolgt ein Verstoß gegen diese Vorschrift, kann das mit einem Bußgeld belegt werden (§ 40 Abs. 1 HinSchG). Darüber hinaus können Whistleblower*innen sogar nach allgemeinen Rechtsvorschriften auf Schadensersatz belangt werden, wenn sie durch die Weitergabe einer unrichtigen Information schuldhaft einen Schaden verursacht haben.

Nein, das ist verboten und stellt eine Repressalie dar, gegen die das Gesetz Hinweisgeber*innen schützen will, wenn sie nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Informationen gemeldet oder willkürlich vertrauliche Informationen offengelegt haben.

Repressalien gegen Personen, die einen Hinweis auf Verstöße an eine Meldestelle geben oder die legal Missstände offenlegen, sind nach § 36 HinSchG ausdrücklich verboten. Das gilt auch für die Androhung und den Versuch, Repressalien auszuüben.

Das Gesetz regelt eine Umkehr der Beweislast in Fällen, in denen eine hinweisgebende Person eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit erleidet. Wenn ein*e Arbeitnehmer*in geltend macht, dass er*sie vom Arbeitgeber benachteiligt wird, weil er*sie einen Verstoß gemeldet oder offengelegt hat, muss der Arbeitgeber beweisen, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte und dass sie nicht auf die Meldung oder Offenlegung beruhte.

Repressalien können beispielsweise die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, die vorzeitige Beendigung eines Werk- oder freien Dienstvertrags, die Verweigerung der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen, eine Abmahnung im Arbeitsverhältnis, Disziplinarmaßnahmen, eine Schädigung (einschließlich Rufschädigung) oder das Herbeiführen finanzieller Verluste sein. Der Arbeitgeber müsste in einem etwaigen Verfahren vor dem Arbeitsgericht nachweisen, dass es andere – rechtmäßige – Gründe für seine Maßnahme gibt. Das wäre etwa der Fall, wenn die*der Beschäftigte selbst Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat und deshalb eine Kündigung nach § 1 KSchG oder § 626 BGB gerechtfertigt ist.

Relevant ist das besonders in Fällen, in denen das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet. Normalerweise müssen Arbeitgeber in Kleinbetrieben (weniger als zehn Vollzeitbeschäftigte) eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht begründen. Macht ein*e Arbeitnehmer*in eines Kleinbetriebs geltend, dass die Kündigung wegen einer Meldung oder Offenlegung erfolgt ist, muss der Arbeitgeber beweisen, dass die Kündigung aus einem anderen Grund erfolgt ist.

Repressalien sind unabhängig davon verboten, ob sie ein Arbeitgeber oder jemand anderes vornimmt, etwa ein*r andere*r Beschäftigte im Unternehmen oder eine Organisation, die mit dem Hinweisgeber im beruflichen Kontakt steht.

Eine Repressalie liegt aber nicht vor, wenn der Nachteil, der der hinweisgebenden Person entsteht oder entstehen kann, gerechtfertigt ist. Whistleblower*innen sind also nicht vor Einbußen und Nachteilen geschützt, die der Arbeitgeber entsprechend den deutschen und europäischen Vorschriften legal veranlasst und die nicht in Zusammenhang mit der Meldung oder der Offenlegung stehen. Das müsste der Arbeitgeber im Zweifel aber beweisen.

Verstößen Arbeitgeber oder Vorgesetzte gegen das Repressalienverbot, müssen sie gegebenenfalls Schadensersatz leisten. Das setzt voraus, dass bei der hinweisgebenden Person ein konkreter Schaden entstanden ist, dazu gehören auch zukünftige finanzielle Einbußen. In der Gesetzesbegründung wird darauf hingewiesen, dass darüber hinaus nach geltendem Recht Ansprüche etwa auf Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 2 BGB) oder auf eine Entschädigung in Geld wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts bestehen können.

Wenn wegen einer unrichtigen Meldung dem Arbeitgeber oder einem Dritten ein Schaden entstanden ist, können Hinweisgeber*innen zu Schadensersatz verpflichtet sein. Das trifft allerdings nur zu, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig eine falsche Meldung abgegeben haben.

Falsche Verdächtigungen im Rahmen einer Meldung oder Offenlegung können nämlich erhebliche Folgen für Betroffene haben, auch bis weit in die Zukunft. Deshalb sollten Beschäftigte sorgfältig prüfen, ob die Information über Verstöße des Arbeitgebers auch berechtigt ist. Grobe Fahrlässigkeit wird gemäß der Rechtsprechung bei einem Handeln unterstellt, bei dem die erforderliche Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maße verletzt worden ist und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen.

Das HinSchG sieht dagegen keinen Schadensersatz vor, wenn Hinweisgeber*innen einfach fahrlässig unrichtige Informationen abgegeben haben. Das würde ansonsten der Absicht des Gesetzgebers entgegenstehen, gutgläubige Hinweisgeber*innen im Grundsatz ausdrücklich zu schützen. Überhöhte Anforderungen an Whistleblower*innen in Bezug auf die Überprüfung der Richtigkeit der Informationen will der Gesetzgeber ausdrücklich nicht stellen.

Nein, das dürfen sie nicht. Auch die Meldestellen dürfen Arbeitgebern oder Dienststellenleitungen nicht mitteilen, welche*r Beschäftigte Verstöße gemeldet hat. Das würde nicht nur dem Sinn des HinSchG widersprechen, sondern auch der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

§ 8 HinSchG bestimmt, dass Meldestellen die Vertraulichkeit der Identität der Hinweisgeber*innen oder anderer in der Meldung genannter Personen zu wahren haben. Unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen können Meldestellen allerdings gehalten sein, die Identität der Hinweisgeber*innen anderen Behörden mitzuteilen. Das kann der Fall sein, wenn Staatsanwaltschaft, Polizei oder Gerichte Zeug*innen in Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren verfahren benötigen.

Das Gesetz sieht leider nicht vor, dass Arbeitgeber die Meldekanäle so gestalten müssen, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen. Allerdings sollen interne Meldestellen auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten.

In der Gesetzesbegründung wird betont, dass Arbeitgeber frei darüber entscheiden können, ob sie Systeme vorsehen, die die Abgabe und Bearbeitung anonymer Meldungen ermöglichen oder ob sie hierauf verzichten. Das soll aber nicht dazu führen, dass anonym eingehenden Hinweisen überhaupt nicht nachgegangen werden soll. Vielmehr sollen interne Meldestelle auch diese Meldungen bearbeiten, soweit dadurch die Bearbeitung nichtanonymer Hinweise nicht gefährdet wird. Solche Meldungen muss die Meldestelle auf jeden Fall vorrangig bearbeiten.

Bei gravierenden Verstößen sollten Meldestellen anonyme Meldungen aber unbedingt bearbeiten. Externe Meldestellen werden anonyme Meldungen in der Regel berücksichtigen.

Anonyme Hinweisgeber*innen fallen unter die Schutzbestimmungen des HinSchG, wenn ihre zunächst verdeckte Identität später bekannt wird.

Eine anonyme Meldung ist häufig aber gar nicht sinnvoll. Im weiteren Verfahren besteht keine Möglichkeit, bei etwaigen Fragen Hinweisgeber*innen zu kontaktieren. Auch haben sie keine Möglichkeit, zu kontrollieren, ob die Meldestelle überhaupt ihren Pflichten nachkommt.

Ein Geschäftsgeheimnis liegt vor, wenn ein Unternehmen ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse hat. § 4 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) verbietet Geschäftsgeheimnisse durch unbefugten Zugang zu erlangen, zu nutzen und zu offenbaren. Allerdings erlaubt § 5 GeschGehG Ausnahmen. Dazu gehört auch, wenn Erlangen, Nutzen oder Offenbaren dazu dienen, eine rechtswidrige Handlung oder ein berufliches oder sonstiges Fehlverhalten aufzudecken, wenn die Maßnahme geeignet ist, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen (§ 5 Ziffer 2 GeschGehG).

Die Vorschrift dient nach der Gesetzesbegründung ausdrücklich dem Schutz der Whistleblower*innen und stellt klar, dass auch die Erlangung, die Nutzung und die Offenlegung von Informationen über rechtswidrige Handlungen und ein berufliches oder sonstiges Fehlverhalten unter den genannten Voraussetzungen gerechtfertigt sind.

Betriebs- und Personalräte haben kein Mitbestimmungsrecht darüber, ob eine interne Meldestelle eingerichtet wird. Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten sind dazu durch Gesetz verpflichtet. Es geht daher nicht um eine Entscheidung des Unternehmers, die eine Mitbestimmung erfordern könnte. Deshalb ist auch eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung über die Einführung einer internen Meldestelle nicht erforderlich.

Etwas komplizierter ist es, wenn es um die Ausgestaltung der internen Meldestelle geht. Hier ist sich die Fachwelt nicht einig.

Der Arbeitgeber kann entscheiden, wie er die interne Meldestelle ausgestaltet. Das Gesetz gibt ihm die Möglichkeit,

  • eine bei ihm oder bei der jeweiligen Organisationseinheit beschäftigte Person,
  • eine aus mehreren beschäftigten Personen bestehende Arbeitseinheit oder
  • einen Dritten

mit den Aufgaben einer internen Meldestelle zu betrauen. Das regelt § 14 HinSchG.

Zudem kann der Arbeitgeber entscheiden, welche Meldekanäle er den Beschäftigten zur Verfügung stellt (§ 16 HinSchG). Er muss sie so einrichten, dass nur die für die Entgegennahme und Bearbeitung der Meldungen zuständigen sowie die sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben unterstützenden Personen Zugriff auf die eingehenden Meldungen haben.

Bei der Ausgestaltung könnte es sich um Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer*innen im Betrieb (§ 87 Abs. 1 Ziffer 1 BetrVG) bzw. organisatorischen Angelegenheiten (§ 80 BPersVG) handeln, die der Mitbestimmung unterliegen.

Das Ordnungsverhalten ist nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) berührt, wenn die Maßnahme des Arbeitgebers auf die Gestaltung des kollektiven Miteinanders oder die Gewährleistung und Aufrechterhaltung der vorgegebenen Ordnung des Betriebs zielt. Die Mitbestimmung des Betriebs- bzw. Personalrats soll gewährleisten, dass Arbeitnehmer*innen gleichberechtigt in die Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens einbezogen werden. Maßnahmen, die das sogenannte „Arbeitsverhalten“ regeln sollen, sind demgegenüber nicht mitbestimmungspflichtig.

Die Ausgestaltung der internen Meldestelle betrifft mittelbar das betriebliche Zusammenleben und regelt nicht das Arbeitsverhalten der Beschäftigten.

Bis es eine endgültige gerichtliche Entscheidung gibt, sollten sich Betriebs- und Personalräte auf den Standpunkt stellen, dass die Ausgestaltung der internen Meldestelle mitbestimmungspflichtig ist.

Nein. Die interne Meldestelle ist nicht der Arbeitgeber, der gegenüber dem Betriebs- oder Personalrat Informationspflichten hätte. Das Gebot der Vertraulichkeit gemäß § 8 HinSchG verbietet der Meldestelle sogar, dem Gremium oder deren Mitgliedern die Identität von Arbeitnehmer*innen zu offenbaren, die sich an die Meldestelle gewandt haben. Auch anonymisiert darf die Meldestelle die Meldung nicht bekannt geben, da gerade Betriebs- und Personalräte mit den Gegebenheiten im Betrieb oder der Dienststelle so vertraut sind, dass sie auf die Identität schließen könnten.

Es gibt auch kein Recht für Betriebs- und Personalräte, Informationen über eingegangene Meldungen und den Gang der Verfahren zu erlangen.

Redaktioneller Stand: April 2024

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