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Zahlungsverzug des Arbeitgebers – Handlungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer*innen

Gerade wenn das Unternehmen finanziell angeschlagen ist, passiert es immer wieder, dass Arbeitgeber ihrer Zahlungsverpflichtung gegenüber ihren Beschäftigten nicht mehr nachkommen können. Es kommt aber auch vor, dass die Arbeitgeber ihren Zahlungsverpflichtung aus mangelndem Willen nicht oder erst verspätet nachkommen. Dies ist für die Betroffenen mehr als belastend, da sie dadurch selbst ihren Verpflichtungen wie z.B. Miete, Unterhalt etc. nicht mehr pünktlich nachkommen können und im schlimmsten Fall dafür sogar Schulden machen müssen. Dieser Beitrag soll Antworten auf folgende Fragen geben:

Ein Arbeitgeber gerät dann mit der Vergütungszahlung in Verzug, wenn der Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers fällig ist und die rechtlichen Voraussetzungen für den Verzug vorliegen.

Die Fälligkeit des Anspruchs auf Vergütung ist gesetzlich geregelt. Gemäß § 614 BGB ist „die Vergütung nach der Leistung der Dienste zu entrichten. Ist die Vergütung nach Zeitabschnitten bemessen, so ist sie nach dem Ablaufe der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten“.

Von dieser Regelung des § 614 BGB kann aber durch Arbeitsverträge oder Tarifverträge abgewichen werden, die auf die Arbeitsverhältnisse Anwendung finden. Oft wird durch Arbeits- oder Tarifvertrag geregelt, dass die Vergütung zu einem bestimmten Termin gezahlt werden muss. In diesen Fällen geht die arbeits- oder tarifvertragliche Regelung der gesetzlichen Regelung vor.

§ 286 BGB enthält die gesetzlichen Regelungen zum Thema „Verzug“. Grundsätzlich ist für den Eintritt des Verzugs eine Mahnung des Gläubigers erforderlich. Diese ist entbehrlich, wenn nach Nichtleistung eine Klage erhoben oder ein Mahnbescheid beantragt wird. Eine Mahnung ist aber auch in den Fällen nicht notwendig, in denen die Leistung an einem Zeitpunkt, der nach dem Kalender bestimmbar ist, zu erfolgen hat.

Dieses trifft allgemein auf Lohnforderungen zu, da in den meisten Fällen durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag geregelt ist, dass für die Lohnzahlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist (Beispiel: Das Gehalt wird laut Arbeitsvertrag in jedem folgenden Kalendermonat spätestens zum 15. überwiesen). Damit ist für den Eintritt des Arbeitgeberverzugs keine Mahnung im Sinne des § 286 BGB erforderlich. Der Arbeitgeber gerät in diesen Fällen automatisch in Verzug, wenn er den festgelegten Termin für die Zahlung des Lohns verstreichen lässt. Bestehen keine besonderen arbeits- oder tarifvertraglichen Regelungen, gerät der Arbeitgeber am zweiten Kalendertag des folgenden Monats in Verzug, wenn er bis dahin den Lohn nicht überwiesen hat.

Zu beachten ist aber auch, dass § 286 BGB besagt, dass "der Schuldner nicht in Verzug kommt, solange die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat."

Der Arbeitgeber gerät also dann nicht in Verzug, wenn er nicht dafür zur Verantwortung gezogen werden kann, dass der Lohn nicht überwiesen wird (z.B. aufgrund eines Fehlers der Bank).

In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Arbeitgeber zwar den Lohn zahlen, aber nicht zum eigentlichen Auszahlungszeitpunkt, sondern z.B. einige Wochen später. Für Arbeitnehmer*innen ist dies besonders misslich, weil sie dann gegebenenfalls ihren laufenden Kosten wie z.B. Mietzahlungen nicht nachkommen können. Nicht selten sind sie dann sogar gezwungen, ihr Konto zu überziehen oder einen Kredit aufzunehmen.

Grundsätzlich gilt: Wenn der Arbeitgeber nicht zum vereinbarten Termin, sondern erst ein paar Tage später zahlt, gerät er in Verzug. Der Arbeitgeber muss Arbeitnehmer*innen dann den hierdurch entstandenen Schaden ersetzen.

Das Landesarbeitsgericht Köln hat außerdem entschieden, dass ein Arbeitgeber, der seinen Arbeitnehmenden das Gehalt zu spät zahlt, verpflichtet ist, diesen nach § 288 Abs. 5 BGB eine Verzugskostenpauschale von 40 Euro zu gewähren (LAG Köln vom 22.11.2016, 12 Sa 524/16). Sofern Arbeitnehmer*innen noch weiterer Schaden durch die Überziehung des Kontos oder durch Kreditzinsen entstanden ist, muss der Arbeitgeber diesen Schaden ebenfalls ersetzen.

Die 40 Euro Verzugskostenpauschale des Arbeitgebers fällt übrigens monatlich an. Das heißt, sollte der Arbeitgeber im nächsten Monat wieder unpünktlich zahlen, ist er erneut verpflichtet, 40 Euro zu zahlen. Zweck der Regelung des § 288 Abs. 5 BGB ist nach dem Urteil des LAG nämlich auch, Druck auf den Schuldner aufzubauen, um diesen zu pünktlichen und vollständigen Gehaltszahlungen zu bewegen.

Zurückbehaltungsrecht ist das Recht, eine geschuldete Gegenleistung nicht erbringen zu müssen, sondern zurückbehalten zu dürfen, bis die Leistung der Gegenseite erbracht wird. Arbeitsleistung und Lohn stehen im Austauschverhältnis zueinander. Demzufolge besteht in diesem Verhältnis das Zurückbehaltungsrecht von Arbeitnehmenden hierin, die Arbeitsleistung verweigern zu dürfen, wenn der Arbeitgeber mit seiner Verpflichtung zur Gegenleistung (= Zahlung des Lohns) in Verzug gerät.

Das Zurückbehaltungsrecht von Arbeitnehmer*innen ist ein geeignetes und kraftvolles Mittel, um den Arbeitgeber zur Zahlung zu bewegen. Zu beachten ist jedoch, dass sich der Arbeitgeber tatsächlich im Zahlungsverzug befinden muss. Dies ist nicht der Fall, wenn sich die Zahlung des Arbeitgebers nur kurzfristig verzögert, die Verzögerung nicht von ihm zu vertreten ist oder der Arbeitgeber nur einen kleinen Teil des ausstehenden Lohns nicht gezahlt hat. Ein Zurückbehaltungsrecht wird auch für die Fälle nicht angezeigt sein, in denen dem Arbeitgeber durch die Leistungsverweigerung ein unverhältnismäßig hoher Schaden entstehen würde.

Auf jeden Fall muss vor der Leistungsverweigerung intensiv und gewissenhaft geprüft werden, ob sie gerechtfertigt und angemessen ist. Als Richtwert sollte hier die gängige Rechtsprechung herangezogen werden, die einen Arbeitgeberverzug dann als Grund für ein Leistungsverweigerungsrecht der Arbeitnehmer*innen ansieht, wenn der Arbeitgeber mit zwei oder mehr Löhnen im Rückstand ist.

Bevor Arbeitnehmer*innen das Zurückbehaltungsrecht ausüben dürfen, muss dem Arbeitgeber mitgeteilt werden, dass auf die unverzügliche Zahlung des Lohns bestanden und dass für den Fall, dass diese nicht erfolgt, aus diesem Grund die Arbeitsleistung zurückbehalten/verweigert werde. Weiter sollte dem Arbeitgeber mitgeteilt werden, für welchen Zeitraum welcher Betrag aussteht. Die Forderung sollte so genau wie möglich beziffert werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit und späteren Beweisbarkeit sollte die Ankündigung dieser Leistungsverweigerung am besten schriftlich erfolgen. Durch diese Ankündigung soll dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet werden, durch Zahlung des ausstehenden Lohns die Leistungsverweigerung der Arbeitnehmer*innen verhindern zu können.

Für den Fall, dass Arbeitnehmer*innen vom Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen, können sie sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos melden und Arbeitslosengeld beantragen, obwohl das Arbeitsverhältnis rein rechtlich fortbesteht.

Dieser Fall wird „Gleichwohlgewährung von Arbeitslosengeld“ genannt. Allerdings wird die Agentur für Arbeit von Arbeitnehmer*innen verlangen, dass anhand geeigneter Unterlagen (z.B. Kontoauszügen) nachgewiesen werden kann, dass die Arbeit aufgrund eines beträchtlichen Zahlungsverzugs verweigert wird. Richtwert: Mindestens zwei Monatslöhne sollten rückständig sein. Denn auch die gängige Rechtsprechung sieht einen Leistungsverweigerungsgrund erst dann, wenn der Arbeitgeber mit zwei oder mehr Löhnen im Rückstand ist.

Wollen Arbeitnehmer*innen gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder eine einstweilige Verfügung oder eine Klage auf Zahlung des ausstehenden Lohns.

Eine einstweilige Verfügung (und somit ein Eilverfahren) kommt dann in Betracht, wenn Arbeitnehmer*innen nachweisen können, dass sie sich in einer Notlage befinden und der ausstehende Lohn dringend für den Lebensunterhalt benötigt wird. Dann dürfen Arbeitnehmer*innen nicht in der Lage sein, ihren Lebensunterhalt aus eventuell bestehendem Vermögen oder anderen Zahlungsansprüchen gegen Dritte bestreiten zu können. Daher kommt eine einstweilige Verfügung auch nicht in Betracht, wenn Arbeitnehmer*innen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben.

Für diese Fälle ist die Einreichung einer (Leistungs-)Klage vor dem Arbeitsgericht das richtige Mittel, um ausstehende Lohnansprüche geltend zu machen. Hier muss keine Eilbedürftigkeit nachgewiesen werden, sondern nur, dass der Arbeitgeber seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachgekommen ist. In der ersten Instanz können sich Arbeitnehmer*innen selber vertreten. Besser ist es jedoch, sich kompetenten Rechtsbeistand bei der zuständigen Gewerkschaft oder Anwält*innen des Vertrauens zu suchen.

Ist der Arbeitgeber endgültig zahlungsunfähig und über sein Vermögen wird ein Insolvenzverfahren eröffnet, besteht für Arbeitnehmer*innen die Möglichkeit, Insolvenzgeld zu beantragen. Dieses kann binnen zwei Monaten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei der Agentur für Arbeit beantragt werden, wenn noch Anspruch auf das Arbeitsentgelt für die letzten drei Monate vor der Insolvenzeröffnung besteht.

Wird der Antrag auf Insolvenzgeld gestellt, ist es jedoch nicht mehr möglich, die Ansprüche auf Zahlung des Lohns für diesen Zeitraum auch noch zusätzlich gegenüber dem Arbeitgeber bzw. Insolvenzverwalter geltend zu machen.

Redaktioneller Stand: Dezember 2016

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