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Urteile

Einsicht in die Personalakte

Orientierungssätze

Beschäftigte sind gemäß § 83 BetrVG berechtigt, ihre Personalakte einzusehen und Kopien daraus anzufertigen. Sie dürfen dabei von einem Betriebsratsmitglied, nicht aber von einem Anwalt, begleitet werden.

  • Gericht

    Bundesarbeitsgericht vom 12.07.2016
  • Aktenzeichen

    9 AZR 791/14

Der Rechtsstreit

Die Parteien stritten darüber, ob dem Kläger in Begleitung seiner Anwältin Einsicht in seine Personalakte gewährt werden muss. Der Kläger ist nach einem Betriebsübergang bei der Beklagten als Lagerist beschäftigt. Die bisherige Arbeitgeberin des Klägers hatte diesem eine Ermahnung erteilt und seinen Antrag, unter Hinzuziehung einer Rechtsanwältin Einsicht in seine Personalakten zu nehmen, unter Hinweis auf ihr Hausrecht und aus datenschutzrechtlichen Gründen abgelehnt. Allerdings hatte sie dem Kläger gestattet, Kopien von Schriftstücken in seiner Personalakte zu fertigen und diese an seine Anwältin zu übergeben.

Der Kläger war dagegen der Auffassung, dass das Recht auf Einsichtnahme in die Personalakte aus § 83 BetrVG die Übertragung auf einen Dritten nicht ausschließe, zumal die Rechtsanwältin der anwaltlichen Schweigepflicht unterliege. Bei dem Hinweis auf die Möglichkeit der Anfertigung von Kopien handele es sich um eine unnötige Förmelei, um die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zu verhindern.

Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos. Zur Begründung wurde insbesondere angeführt, dass das Einsichtsrecht des Arbeitnehmers in seine Personalakte in § 83 BetrVG ausschließlich und abschließend geregelt sei. Der Arbeitnehmer habe das Recht, in die über ihn geführte Personalakte Einsicht zu nehmen und hierzu ein Mitglied des Betriebsrats hinzuzuziehen (§ 83 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrVG). Die Regelung begründe damit keinen Anspruch des Arbeitnehmers auf Einsichtnahme unter Hinzuziehung eines Rechtsanwalts. Ein solcher Anspruch des Arbeitnehmers folge weder aus der Rücksichtspflicht des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB) noch aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer erlaube, für sich Kopien von Schriftstücken in seiner Personalakte zu fertigen. In diesem Fall werde dem einem Beseitigungs- oder Korrekturanspruch vorgelagerten Transparenzschutz, dem das Einsichtsrecht des Arbeitnehmers in die Personalakte diene, Rechnung getragen. Die Erlaubnis der Rechtsvorgängerin der Beklagten, Kopien anzufertigen, gelte aufgrund des Betriebsübergangs gemäß § 613 a BGB auch im Verhältnis zur Beklagten weiter. Der Kläger habe damit ausreichend Gelegenheit gehabt, anhand der gefertigten Kopien den Inhalt der Personalakte mit seiner Rechtsanwältin zu erörtern.

(Quelle: Pressemitteilung Nr. 36/16 des Bundesarbeitsgerichts, 12.07.2016).

Der Kommentar

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts stellt klar, dass einer Arbeitnehmerin bzw. einem Arbeitnehmer aus § 83 BetrVG ein Recht auf Einsichtnahme in seine Personalakte zusteht. Das gilt unabhängig davon, ob bei dem Arbeitgeber ein Betriebsrat existiert oder nicht. Sofern ihr oder ihm die Gelegenheit gegeben wird, die Personalakte vollständig zu kopieren, hat die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer kein Recht darauf, dass eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt bei der Akteneinsicht anwesend ist. Sofern es jedoch nicht gestattet ist, Kopien anzufertigen, dürfte die Frage der Hinzuziehung einer Anwältin oder eines Anwalts jedoch anders zu bewerten sein.

Existiert im Betrieb ein Betriebsrat, sollte die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer zumindest die Möglichkeit nutzen, ein Betriebsratsmitglied zur Akteneinsicht hinzuzuziehen.


Zusammengestellt und kommentiert von Ass. jur. N. Nießen, Düsseldorf, 03.08.2016

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