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Urteile

Unwirksamkeit der Betriebsratswahl 2018 bei Volkswagen Nutzfahrzeuge in Hannover

Orientierungssätze

Die im Frühjahr 2018 bei Volkswagen am Standort Hannover-Stöcken durchgeführte Betriebsratswahl war unwirksam.

Die Rechtsbeschwerden des Betriebsrats und des Arbeitgebers gegen den Beschluss der Vorinstanzen wurden zurückgewiesen.

  • Gericht

    Bundesarbeitsgericht vom 16.03.2022
  • Aktenzeichen

    7 ABR 29/20

Der Rechtsstreit

Die Volkswagen AG betreibt am Standort Hannover-Stöcken ein Werk zur Herstellung von Nutzfahrzeugen. Das mehrere Hektar große Werksgelände ist von einem geschlossenen Werkszaun umgeben; der Zugang erfolgt durch vom Werkschutz kontrollierte Tore. Außerhalb des umzäunten Geländes befinden sich weitere Betriebsstätten, die dem Werk organisatorisch zugeordnet sind und von dem dort gewählten Betriebsrat vertreten werden. Bei der im April 2018 durchgeführten Betriebsratswahl hatte der Wahlvorstand für die Arbeitnehmer/-innen sämtlicher außerhalb des geschlossenen Werksgeländes liegender Betriebsstätten die schriftliche Stimmabgabe (Briefwahl) beschlossen. Drei dieser Betriebsstätten liegen unmittelbar angrenzend an das umzäunte Werksgelände. Nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses haben neun wahlberechtigte Arbeitnehmer die Wahl angefochten und u.a. geltend gemacht, die Briefwahl habe nicht für sämtliche außerhalb des geschlossenen Werksgeländes liegende Betriebsstätten beschlossen werden dürfen. Die Vorinstanzen haben die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt.

Die hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerden des Betriebsrats und der Arbeitgeberin blieben vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Der Wahlvorstand kann die schriftliche Stimmabgabe nur für räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernte Betriebsteile und Kleinstbetriebe beschließen.1 Im vorliegenden Fall war der Wahlvorstand, selbst unter Berücksichtigung eines ihm zustehenden Beurteilungsspielraums, zu Unrecht davon ausgegangen, dass diese Voraussetzung auch bei den drei unmittelbar an das umzäunte Werksgelände angrenzenden Betriebsstätten erfüllt ist. Dieser Fehler konnte das Wahlergebnis beeinflussen.

Vgl. § 24 Abs. 3 der Wahlordnung (WO) zum Betriebsverfassungsgesetz

Hinweis: Diese Entscheidung hat keine Auswirkungen auf die bis dahin vom Betriebsrat vorgenommenen Rechtshandlungen.

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 03. September 2020 – 4 TaBV 45/19 –
Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 12/22 vom 16.03.2022

Der Kommentar

Dem Fall lag die Betriebsratswahl 2018 zugrunde. Der Wahlvorstand hatte damals die Briefwahl (schriftliche Stimmabgabe) für die Arbeitnehmer/-innen sämtlicher außerhalb des geschlossenen Werksgeländes in Hannover liegender Betriebsstätten beschlossen. Drei dieser Betriebsstätten liegen angrenzend an das umzäunte Werksgelände und somit in unmittelbarer räumlicher Nähe. Daraufhin hatten neun wahlberechtigte Arbeitnehmende die Betriebsratswahl angefochten, während der gewählte Betriebsrat sowie der Arbeitgeber an dem Wahlergebnis festhalten wollten. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass für die an das Werksgelände angrenzenden Betriebsstätten keine Briefwahl hätte angeordnet werden dürfen und die Betriebsratswahl deshalb unwirksam war. Allerdings hat die Entscheidung keine Auswirkungen auf die Rechtshandlungen, die der Betriebsrat zwischen 2018 und 2022 vorgenommen hat.

Diese Entscheidung verdeutlicht, dass der Wahlvorstand bei der Einleitung des Wahlverfahrens die Wahlvorschriften genau beachten muss, um eine Unwirksamkeit der Wahl und gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Deshalb ist eine Schulung der Wahlvorstände für den ordnungsgemäßen Ablauf der Betriebsratswahl von erheblicher Bedeutung.

Zusammengestellt und kommentiert von Dr. N. Nießen, Düsseldorf, 31.03.2022

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