Urteile
„Wahlmüdigkeit“ einer Gruppe; zu wenig Bewerber/-innen; geänderte Sitzverteilung
Orientierungssätze
1. Macht in einer Dienststelle eine Gruppe von ihrem Vertretungsanspruch keinen Gebrauch, indem sie keinen Wahlvorschlag einreicht, fallen deren Sitze an die andere Gruppe. Der Verzicht gilt für die gesamte Wahlperiode. Das gilt auch, wenn die andere Gruppe dann zu wenig Kandidaten auf dem Wahlvorschlag hat.
(Beispiel: In einer Dienststelle sind eine Beamtin/ein Beamter und zwei Arbeitnehmer/-innen zu wählen. Die Beamtinnen/Beamten schlagen zwei Kandidaten vor, die Arbeitnehmer/-innen keinen. Sie verzichten also auf eine eigene Vertretung.)
2. Verzichtet eine Gruppe auf ihre Vertretung, verlieren ihre Angehörigen auch ihr Wahlrecht (siehe Bayerischer VGH vom 19.03.1997, - 18 P 96.4276 -, PersR 1997, 490). Eine Wahl findet in dieser und für diese Gruppe nicht statt. Anderenfalls könnte sie, trotz eigener Wahlmüdigkeit, das Ergebnis in der anderen Gruppe unzulässig verändern. § 27 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG, wonach bei Sinken der Gesamtzahl der Mitglieder des Personalrats um ein Viertel Neuwahlen stattzufinden haben, findet hier keine Anwendung. Die Zahl ist ja nicht „gesunken“, sondern war von vorneherein so niedrig.
3. Auf dem Stimmzettel muss dann (in dem Beispiel) der Hinweis stehen, dass jede/-r Wähler/-in zwei Stimmen hat – obwohl in dieser Gruppe ursprünglich nur ein Mitglied zu wählen war. Über diese Veränderungen hat der Wahlvorstand die Wahlberechtigten durch Aushang als Ergänzung zum Wahlausschreiben zu informieren.
4. Wird in diesem Fall die Wahl erfolgreich angefochten, ist sie nur in der Gruppe zu wiederholen, für die Wahlvorschläge eingereicht wurden. Es bleibt bei dem Verzicht der anderen Gruppe – deren Wahl ja nicht angefochten werden konnte, weil sie nicht stattgefunden hat.
(Tipp: Ergibt sich im Laufe der Wahlperiode, dass die „wahlmüde“ Gruppe doch noch wach wird und vertreten sein möchte, kann das nur durch den Rücktritt der Mehrheit der Mitglieder des Personalrats (im Beispiel also aller) gem. § 27 Abs. 2 Nr. 3 BPersVG erreicht werden. Dann müssen Neuwahlen stattfinden. Der alte Personalrat führt so lange die Geschäfte weiter, bis ein neuer Personalrat gewählt ist.)
5. Galt in der Dienststelle die Ausnahmeregelung des § 17 Abs. 4 BPersVG, wonach ein Personalrat, der eigentlich drei Mitglieder haben müsste, vier Mitglieder hat, wenn eine der Gruppen mindestens ebenso viele Angehörige hat wie die beiden anderen Gruppen zusammen, so entfällt diese Möglichkeit, wenn die beiden anderen Gruppen auf ihre Vertretung verzichten. Es bleibt dann bei drei Personalratsmitgliedern. Die vom Gesetz auszuschließende Gefahr der Majorisierung der großen Gruppe durch die beiden kleinen besteht dann nämlich nicht mehr.
Gericht
Bundesverwaltungsgericht vom 20.06.1990Aktenzeichen
6 P 2.90Rechtsgrundlage
§ 17 BPersVG
Der Kommentar
zu 5.: Diese Möglichkeit dürfte nach der Zusammenführung der Gruppen der Arbeiter und Angestellten zur Gruppe der Arbeitnehmer/-innen im Bundesbereich nicht mehr vorkommen. Die Vertretung der möglichen dritten Gruppe, der Soldaten, regelt sich nach § 51 SBG. Die Bestimmung läuft somit praktisch ins Leere. Lediglich in den Bundesländern, in denen noch die Gruppen der wissenschaftlichen oder künstlerischen Beschäftigten zu den Gruppen der Arbeitnehmer/-innen und Beamtinnen/Beamten hinzukommen könnten, besteht diese Möglichkeit – sofern sie im jeweiligen LPersVG (noch) vorgesehen ist.
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