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Kündigungsschutz während der Schwangerschaft

Der Gesetzgeber hat im Mutterschutzgesetz (MuSchG) mit dem ausdrücklichen Kündigungsverbot für den Arbeitgeber einen besonderen arbeitsrechtlichen Schutz für Schwangere und Mütter kurz nach der Entbindung festgelegt (§ 17 MuSchG). Es gibt Arbeitnehmerinnen die Sicherheit, dass sie sich während der Schwangerschaft und für die erste Zeit nach der Geburt keine Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen müssen. Die Größe des Betriebs ist für den Sonderkündigungsschutz ebenso unerheblich wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit. So gilt der besondere Kündigungsschutz auch während der Probezeit.

Aber welche Regelungen sieht das Gesetz genau vor, und was muss die betroffene Arbeitnehmerin beachten, um den gesetzlich gewährten Schutz in Anspruch nehmen zu können?

 

Der Kündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen beginnt mit dem ersten Tag der Schwangerschaft. Er besteht während der gesamten Schwangerschaft bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Geburt des Kindes (§ 17 Abs. 1 MuSchG).

Der Kündigungsschutz nach der Geburt – der nachwirkende Kündigungsschutz – besteht unabhängig davon, ob die Arbeitnehmerin nach Ablauf der Mutterschutzfrist wieder arbeiten kommt oder Elternzeit in Anspruch nehmen möchte.

Eine erst nach Erhalt der Kündigung eingetretene Schwangerschaft löst den besonderen Kündigungsschutz hingegen nicht aus. Wird die Schwangerschaft also unmittelbar nach Erhalt der Kündigung festgestellt, kann die genaue Berechnung des Schwangerschaftsbeginns für das Eingreifen des Sonderkündigungsschutzes bedeutsam sein. Steht der Beginn der Schwangerschaft nicht eindeutig fest, ist nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die sogenannte „Rückrechnungsmethode“ anzuwenden. Hiernach gilt die widerlegbare Vermutung, dass die Schwangerschaft 280 Tage vor dem angegebenen Entbindungstermin begonnen hat (BAG v. 07.05.1998, Aktenzeichen 2 AZR 417/97).

 

Das Kündigungsverbot umfasst sämtliche Arten von Kündigungen (§ 17 MuSchG). Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt allerdings zulässig. So besteht insbesondere kein Anspruch auf Verlängerung eines Zeitarbeitsvertrags. Läuft ein befristeter Arbeitsvertrag aus, so endet das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung, womit das Kündigungsverbot nicht eingreift.

Vorsicht geboten ist beim Unterzeichnen eines Aufhebungsvertrags, denn dieser fällt nicht unter das Kündigungsverbot. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass zum Zeitpunkt der Unterzeichnung bereits eine Schwangerschaft bestand, ist der Aufhebungsvertrag gleichwohl wirksam – auch wenn der Arbeitgeber ihn vorgeschlagen hat.

Mit der Neuregelung des Mutterschutzgesetzes hat der Gesetzgeber ausdrücklich ein Kündigungsverbot für Fehlgeburten festgelegt (§ 17 Abs. 1 Nr. 2 MuSchG). Das Kündigungsverbot umfasst Fehlgeburten nach der 12. Schwangerschaftswoche. Der Kündigungsschutz gilt bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Fehlgeburt.

Darüber hinaus spricht das Mutterschutzgesetz lediglich von einem viermonatigen Kündigungsschutz ab der Entbindung, ohne jedoch den Begriff der Entbindung zu definieren (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 MuSchG). Bei einer Lebendgeburt liegt unproblematisch eine Entbindung vor. Bei einer Totgeburt nimmt das Bundesarbeitsgericht eine Entbindung an, wenn das Kind zum Zeitpunkt der Entbindung in einem Entwicklungsstadium ist, in dem es selbstständig lebensfähig wäre. Dies sei in Anlehnung an die entsprechenden personenstandsrechtlichen Bestimmungen jedenfalls dann der Fall, wenn das Kind ein Gewicht von mindestens 500 Gramm hat.

Hat das totgeborene Kind ein Gewicht von unter 500 Gramm, liegt keine Entbindung im Sinne des MuSchG vor (§ 17 Abs. 1 Nr. 3). Der besondere Kündigungsschutz greift hier nicht, sodass eine nach diesem Zeitpunkt zugegangene Kündigung zulässig ist.

 

Eine ausgesprochene Kündigung ist nur dann unzulässig, wenn der Arbeitgeber von der Schwangerschaft oder der Entbindung oder der Fehlgeburt wusste. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber grundsätzlich zum Zeitpunkt der Kündigung die entsprechende Kenntnis besitzen muss oder er innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung über die Schwangerschaft oder Entbindung oder Fehlgeburt informiert wird. Die Mitteilung sollte zum Nachweis per Einschreiben erfolgen, oder es sollte Zeugen geben.

Kündigt der Arbeitgeber also, weil er zum Beispiel von der Schwangerschaft nichts weiß, und teilt ihm die Arbeitnehmerin innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung die Schwangerschaft mit, ist die bereits ausgesprochene Kündigung unwirksam.

Ein Überschreiten der Frist führt grundsätzlich dazu, dass der besondere Kündigungsschutz nicht eintritt! Es gibt lediglich zwei Ausnahmen:

1. Die Arbeitnehmerin hat das Überschreiten der Frist nicht zu vertreten (§ 17 Abs. 1 Satz 2 MuSchG). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn sie aufgrund eines Krankenhausaufenthalts oder einer Urlaubsabwesenheit keine Kenntnis von der Kündigung hatte.

2. Die Arbeitnehmerin erfährt erst nach Ablauf der zwei Wochen vom Bestehen einer Schwangerschaft.

In beiden Fällen muss die betroffene Arbeitnehmerin ihren Arbeitgeber unverzüglich, sprich ohne schuldhaftes Zögern, über die bestehende Schwangerschaft informieren. Es ist auch zu beachten, dass die Schwangerschaft in jedem Fall bereits zum Zeitpunkt der Kündigung vorgelegen haben muss.

In bestimmten Fällen kann ein Arbeitgeber einer Arbeitnehmerin trotz bestehender Schwangerschaft oder kurz nach der Entbindung kündigen.

1. Sondergenehmigung

Der Arbeitgeber kann in besonderen Fällen bei der für seinen Betrieb zuständigen obersten Arbeitsschutzbehörde eine Ausnahmegenehmigung für die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin beantragen (§ 17 Abs. 2 MuSchG). Allerdings darf der Grund für die Kündigung nicht mit dem Zustand der Frau während der Schwangerschaft oder ihrer Lage bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung oder nach der Fehlgeburt in Zusammenhang stehen. Zudem muss die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar sein. Es muss sich also um einen besonders schwerwiegenden Grund handeln. Ein derartiger Fall kann zum Beispiel vorliegen, wenn der Betrieb stillgelegt werden soll oder die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmerin wegen ihres schwerwiegenden Fehlverhaltens (zum Beispiel bei Diebstahl) unzumutbar ist. Die Aufsichtsbehörde muss die betroffene Arbeitnehmerin vor der Erteilung einer Genehmigung anhören, die ihre Sicht der Dinge darstellen kann. Die Entscheidung wird Arbeitgeber und Arbeitnehmerin mitgeteilt. Genehmigt die Aufsichtsbehörde die Kündigung, kann der Arbeitgeber auch einer schwangeren Arbeitnehmerin wirksam kündigen. Verweigert die Aufsichtsbehörde die Zustimmung, bleibt das Kündigungsverbot bestehen.

Gegen die Entscheidung der Aufsichtsbehörde können beide Parteien Widerspruch einlegen oder beim Verwaltungsgericht Klage erheben.

Wusste der Arbeitgeber von der Schwangerschaft und kündigt er der Arbeitnehmerin ohne die erforderliche Ausnahmegenehmigung, kann sich die Arbeitnehmerin mit Hilfe der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht gegen die ausgesprochene Kündigung wehren. Sie muss die Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der schriftlichen Kündigung beim Arbeitsgericht einreichen.

2. Verspätete Information

Die Kündigung ist ebenfalls zulässig, wenn die Arbeitnehmerin ihren Arbeitgeber zu spät über die Schwangerschaft informiert. Wie bereits oben dargestellt, muss der Arbeitgeber grundsätzlich zum Zeitpunkt der Kündigung Kenntnis von der Schwangerschaft haben. Informiert die betroffene Arbeitnehmerin ihren Arbeitgeber zu spät über die Schwangerschaft, ohne dass eine der oben genannten Ausnahmen vorliegt, greift der besondere Kündigungsschutz nicht, und die Kündigung ist zulässig, sofern keine anderen Gründe vorliegen, die zu einer Unzulässigkeit der Kündigung führen.

Redaktioneller Stand: April 2019

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